Menetekel
Sony-Bildschirm hinaufstarrte; Menschen in Kneipen und Sportstadien, die aufgesprungen waren und den Blick nicht von den Bildschirmen wenden konnten. Auf der ganzen Welt spielten sich ähnliche Szenen ab. Bellinger ging zum Schreibtisch, machte seinen Laptop an und verbrachte mehrere Stunden damit, diverse Internetforen zu durchforsten und sich durch die einschlägigen Nachrichtenseiten zu klicken. Er wollte ein klareres Bild bekommen und hoffte zugleich, ein paar Argumente zu finden, die seine Theorie entkräfteten.
Sie war haarsträubend … aber sie passte.
Sie passte wie die Faust aufs Auge.
Was ihn vor ein noch größeres Problem stellte.
Nämlich, was er jetzt tun sollte.
Sein erster Reflex riet ihm, die Finger davon zu lassen. Und zwar sofort. Wenn er mit seinen Vermutungen tatsächlich recht haben sollte, dann ließ er besser die Finger davon und sprach mit niemandem darüber. Das wäre das Vernünftigste, und wenn er auf irgendetwas stolz war, dann darauf, ein rationaler Mensch zu sein. Nur gab es da ein Problem.
Ein Freund war zu Tode gekommen. Und zwar nicht irgendein Freund.
Sein bester Freund.
Und das konnte selbst ein rationaler Mensch wie er nicht einfach beiseiteschieben.
Bilder des tragischen Unfalls an der Skelettküste spukten ihm im Kopf herum, grausige Phantasien, die ihn bestürmt hatten, nachdem Danny Sherwood damals ums Leben gekommen war.
Er konnte das nicht einfach ignorieren.
Er musste dem nachgehen. Sichergehen. Musste wissen, was los war.
Er holte sich noch ein Bier, setzte sich wieder ins dunkle Wohnzimmer und starrte ins Leere. Ein paar Flaschen später griff er nach seinem Handy und scrollte die Kontaktliste hinunter, bis er den gesuchten Eintrag fand. Er hatte diese Nummer bereits seit zwei Jahren und fast genauso lange nicht mehr angerufen.
Er zögerte, dann drückte er die Wähltaste.
Es klingelte drei-, viermal.
«Ja?» Der Mann klang ernst, kühl.
Matt Sherwoods Stimme zu hören war ein kleiner Trost. Es verband ihn wenigstens ein bisschen mit seinem toten Freund.
«Hier ist Vince. Vince Bellinger», sagte er langsam. «Wo bist du, Matt?»
«Zu Hause. Warum?»
«Wir müssen uns treffen. Am besten gleich.»
KAPITEL 6
BOSTON, MASSACHUSETTS
Auch im überfüllten Sportstadion starrten alle wie gebannt auf die riesigen Videoanzeigetafeln, sowohl Fans als auch Spieler. Und die Gäste in Larry Rydells perfekt positionierter Luxus-Loge.
Er hatte das Designteam für das bahnbrechende Elektroauto, das er in ein paar Jahren auf den Markt bringen wollte, eingeladen. Sie hatten den ganzen Tag in der Projektzentrale drüben in Waltham geschuftet. Er hatte sich von ihnen auf den neuesten Stand bringen lassen, war mit ihnen die bereits gelösten und die neuaufgetauchten Probleme durchgegangen. Wie mit all seinen Unternehmungen zielte Rydell auch mit diesem Projekt auf die Weltspitze. Sein Freund Elron Musk – der im Internet mit einem bescheidenen kleinen Onlineservice namens Pay Pal abgeräumt hatte – war bereits mit einem eigenen Elektroauto am Start, dem Sportwagen Tesla. Rydell hingegen hatte eine andere Klientel im Visier: die Massen, die Mittelklassewagen wie Camrys, Impalas und Accords fuhren. Also hatte er sich die besten Designer und klügsten Ingenieuregeholt, ihnen alles zur Verfügung gestellt, was sie benötigten, und ließ sie gewähren. Es war nur eins seiner derzeitigen Lieblingsprojekte. Seine Teams arbeiteten an effizienteren Windparks und Solarzellen sowie an besseren Leitungen zum Transport der gewonnenen Energie. Erneuerbare Energien und sauberer Strom würden die nächste große industrielle Revolution sein. Und Larry Rydell war ein großer Visionär.
Das Einzige, worum seine Projekte konkurrierten, war seine knapp bemessene Zeit. Geld war definitiv kein Thema, da mochten die Märkte noch so sehr in Aufruhr geraten. Er besaß mehr Geld, als er je brauchen würde. Jeder, der irgendwo auf der Welt einen Computer oder ein Handy benutzte, leistete einen Beitrag zu seinem Reichtum; für den Rest hatte vor einiger Zeit der astronomisch hohe Aktienpreis seines Unternehmens gesorgt. Und sosehr Rydell all die Annehmlichkeiten des Reichtums genoss, wusste er doch Besseres mit seinem Geld anzufangen, als sich 15 0-Meter -Yachten bauen zu lassen.
Sie hatten einen langen, produktiven Arbeitstag hinter sich und eine Hürde überwunden, die sie seit Wochen behindert hatte; darum wollte er das Team zur Belohnung stilvoll in den Weihnachtsurlaub entlassen. Er
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