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Menetekel

Menetekel

Titel: Menetekel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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hätte, würde sie es nicht glauben.
    Aber sie hatte es gesehen.
    War das möglich? Wurden sie gerade Zeugen eines Wendepunkts in der Geschichte der Menschheit? Eines Augenblicks, der die Zeitrechnung in ein «Davor» und ein «Danach» trennen würde?
    Ihre tiefsitzende Skepsis ließ sie verneinen. Nichts als Hirngespinste.
    Und doch   … Sie konnte nicht einfach ignorieren, was sie angesichts des scheinbar übernatürlichen Phänomens empfunden hatte. So hatte sie bislang noch nie empfunden.
    Sie schüttelte sich und trat zu Finch. «Was meint die Redaktion?», fragte sie ihn leise.
    «Sie setzen jeden darauf an, der ihnen einfällt. Aber aus der ganzen Welt rufen Nachrichtensprecher an und wollen wissen, was los ist. Ogilvy möchte, dass wir ihm so schnell wie möglich einen hochaufgelösten Beitrag rüberschießen.» Hal Ogilvy war der Auslandsressortchef und saß im Aufsichtsrat der Mutterfirma.
    «Gut. Wir sollten ein paar Telefonate führen. Im Konferenzraum vielleicht, wenn der frei ist?»
    Finch nickte. «Verschwinden wir von hier.»
    «In Gottes Namen, ja!», setzte Dalton theatralisch hinzu.
    Dafür kassierte er einige genervte Blicke.
    Er setzte ein schiefes Lächeln auf. «’tschuldigung.»
    Sie gingen schweigend den Gang hinunter. Als sie bei der Treppe ankamen, fiel Gracie auf, dass Dalton regelrecht verloren wirkte.
    «Was ist los?», fragte sie.
    Er blieb stehen, zögerte. Dann: «Und wenn dieser bibelfeste Spinner recht hat?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Es muss eine einleuchtendere Erklärung geben.»
    «Und wenn nicht?»
    Gracie ließ sich das einen Moment durch den Kopf gehen. «Tja, wenn tatsächlich Gott dahintersteckt», sagte sie düster, «dann hat Er sich einen verdammt eigenartigen Moment dafür ausgesucht, sich nun doch noch zu zeigen – wo Er mich doch längst davon überzeugt hatte, dass es Ihn gar nicht gibt.»

KAPITEL 9
    WADI AN-NATRUN, ÄGYPTEN
    Nur ihre keuchenden Atemzüge und schwerfälligen Schritte waren in der Stille der Berge zu hören, als die drei Männer den steilen Hang hinaufstapften. Jedes Scharren, jedes Rutschen und Poltern der Steine wurde von den nackten Hängen zurückgeworfen. Der Mond hatte in dieser Nacht durch Abwesenheit geglänzt, und trotzdem hatte das Morgenlicht, das den Sternenhimmel langsam überstrahlte, in dieser Einsamkeit etwas Bedrückendes.
    Yusuf war vom Café direkt zum Kloster gefahren. Wie viele koptische Christen spendete er dem Kloster alles, was er entbehren konnte, brachte frische Früchte vom Marktstand seines Bruders mit und verrichtete Gelegenheitsarbeiten. Er tat das schon sein ganzes Leben lang und kannte das Kloster wie seine Westentasche. Die Einsiedelei ebenfalls, er brachte alle paar Wochen Lebensmittel dorthin – weshalb er auch die Höhlenwände gesehen hatte.
    Er hatte sich wortreich bei dem Mönch entschuldigt, den er geweckt hatte. Bruder Amin kannte ihn gut genug, um ihm zu glauben, und hatte ihn zur Zelle von Pater Kyrillos,dem Abt des Klosters, gebracht. Der Abt hatte den alten Taxifahrer angehört und widerstrebend eingewilligt, sie zu dieser gottlosen Stunde zu begleiten. Da das Kloster nicht über ein Medienzimmer verfügte, blieb ihnen nur der Fernseher im Café. Die Bilder hatten die Mönche zutiefst erschüttert. Und obwohl alle beide Yusuf recht gaben, wollten sie ganz sichergehen.
    Was keinen Aufschub duldete.
    Yusuf hatte sie zurück zum Kloster gefahren, wo sie nervös die Stunden gezählt hatten. Im Morgengrauen waren sie die sechs Meilen bis an den Rand der Wüste gefahren. Über eine Stunde lang wanderten die drei Männer nun schon über die kahlen Felsen hinauf.
    Der Aufstieg war nicht gerade ein Spaziergang. In dieser Mondlandschaft aus zerbröckelndem Gestein kam man schon bei Tage schwer genug voran, ganz zu schweigen von diesem Zwielicht, in dem nur die schwachen Strahlen ihrer billigen Taschenlampen sie leiteten, da der Hang noch immer im Dunkeln lag. Außerdem war ihnen der Weg nicht besonders vertraut. Die Einsiedelei wurde aus Respekt vor der geplagten Seele, die jeweils darin wohnte, nur selten aufgesucht. Endlich standen sie vor der einfachen Holztür, die mit einem alten verrosteten Haken geschlossen wurde. Daneben befand sich ein kleines Fenster, eine natürliche Öffnung im Gestein, die mit Holzbalken begradigt worden war. Der Abt, ein agiler Mann mit durchdringenden, freundlichen Augen, dunkler, wettergegerbter Haut und einem graumelierten, eckigen Bart, der aus der bestickten Kapuze seiner

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