Menetekel
blitzten – und nicht, wie sie ihn zuletzt gesehen hatten. Aber es gelang ihm einfach nicht, die grausigen Bilder aus dem Leichenschauhaus auszulöschen. Was man ihm und seiner Frau in der Basis gezeigt hatte, die Bilder der sterblichen Überreste ihres Sohnes hatten sich auf ewig in seine versteinerte Seele gebrannt.
Ich bringe das alles in Ordnung, Jackson,
dachte er.
Ich werde dafür sorgen, dass so etwas nie wieder geschieht.
Er riss sich vom Anblick seines Sohnes los, wandte sich wieder dem Bildschirm zu und schaltete von den Nachrichtenkanälen zu den Bibelsendern. Was man dort verlauten ließ, klang vielversprechend. Die Aufnahmen aus der Höhle sorgten für große Aufregung, so viel stand fest. Die Leute auf der Straße stürzten sich gierig darauf. Die Geistlichen jedoch hielten sich bedeckt. Ein Fernsehevangelist nach dem anderen gab vorsichtige Kommentare ab; sie waren eindeutig unsicher, wie sie mit diesem unerwarteten Vorstoß auf ihr ureigenes Terrain umgehen sollten.
Typisch
, dachte er. Sie mussten sich ernstlich bedroht fühlen, doch gleichzeitig belauerten sie einander und warteten ab, wer sich als Erster vorwagte.
«Wenn er es wirklich vorhergesehen hat», meinte ein Experte, «dann werden die Prediger dieser Welt sich bald gegenseitig darin überbieten, ihn in ihre Arme zu schließen und für sich zu beanspruchen.»
So ist es,
dachte er.
Sie brauchen nur noch ein wenig Ermunterung.
Ohne es zu merken, versteht sich.
Was zufälligerweise etwas war, worauf sich Keenan Drucker bestens verstand.
Sein Blackberry meldete sich. Es war Rydell.
Damit hatte er gerechnet.
Er holte tief Luft, dann ging er ran. Rydell war außer sich.
Auch damit hatte er gerechnet.
«Keenan, was zum Teufel ist da los?»
Zeit für Schadensbegrenzung. Noch etwas, worauf er sich bestens verstand.
«Nicht am Telefon», erwiderte er knapp.
«Bitte sagen Sie mir, dass es nicht das ist, was ich denke.»
«Das sollten wir persönlich besprechen», beharrte Drucker nachdrücklich.
Rydell brauchte eine Sekunde für die Antwort. «Ich komme gleich morgen früh rübergeflogen. Wir treffen uns am Reagan. Um acht.» Damit legte er auf.
Drucker nickte bedächtig. Um Rydells Reaktion und seinen Anruf vorherzusehen, hatte es keiner göttlichen Eingebung bedurft. Es war schlicht eine Sache von Ursache und Wirkung. Aber es bedeutete, dass er die Kette jetzt selbst in Gang setzen musste.
Maddox nahm nach dem zweiten Klingeln ab.
«Wo sind Sie?», fragte Drucker. «Wo stehen wir mit Sherwoods Bruder?»
«Die Sache ist unter Kontrolle. Ich kümmere mich persönlich darum.»
Drucker runzelte die Stirn. Er war eigentlich davon ausgegangen, dass Bullet nur dann selbst Hand anlegte, wenn etwas außer Kontrolle zu geraten drohte. Aber das wollte er jetzt nicht vertiefen. Er hatte eine dringlichere Botschaft, die sich in vier Worten übermitteln ließ.
«Schnappt euch das Mädchen.» Damit legte er auf.
Fast zweitausend Meilen weiter östlich lag Rebecca Rydell immer noch im Bett. Nach normalen Maßstäben war Mittagvorbei, aber an der Costa Careyes war eben alles ein bisschen anders. Und in der weitläufigen Casa Diva der Rydells war das Leben frei von solch spießigen Beschränktheiten, genau wie in den anderen Villen und
casitas
an der von der Sonne verwöhnten mexikanischen Küste.
Rebecca war fast die ganze Nacht aufgeblieben und hatte sich mit ihrer Clique die neueste Sichtung auf dem Großbildschirm im zum Garten hin offenen Wohnzimmer angeschaut. Anschließend hatten sie sich unten am Strand an einem großen Lagerfeuer unter dem schimmernden Mond über das alles unterhalten, bei Ceviche, gegrillten Garnelen und Margaritas.
Vage Erinnerungen an den gestrigen Abend trieben durch ihre Gedanken, als ihre Sinne vom Duft der beim Haus wachsenden Bougainvillea und
copa de oro
angeregt wurden und sie sich im Wachwerden räkelte. Sie schlief gerne bei offenen Balkontüren, weil sie das Geräusch der Meereswellen und den Salzgeruch der Luft dem klinischen Summen der Klimaanlage vorzog. Noch ganz schlaftrunken wurde ihr klar, dass sie etwas anderes geweckt hatte. Geräusche draußen auf dem Flur. Näher kommende Schritte.
Die Tür schwang auf, und Rebecca blieb beim Anblick der beiden Männer, die hereineilten, beinahe das Herz stehen. Sie kannte sie natürlich. Ben und Jon. Die Bodyguards, die ihr Vater für ihre Auslandsaufenthalte angeheuert hatte. Vor allem für Mexiko. Normalerweise waren sie sehr diskret und hielten
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