Menetekel
Blick hinein. Wieder war nichts Besonderes zu erkennen, aber das konnte täuschen.
Er kauerte sich neben die Beifahrertür und wollte gerade das Schloss aufbrechen, als er hörte, wie vor dem Haus ein Auto abbremste und in die Auffahrt einbog. Rasch glitt er hinter den Wagen. Ein schwarzer Mercedes der S-Klasse hielt neben dem Haus.
Matt ging auf alle viere und spähte unter dem Transporter hindurch. Ein Mann stieg aus dem Mercedes und gingzur Hintertür. Matt riskierte einen Blick um den Kotflügel des Transporters herum. Der Mann war vielleicht eins achtzig groß und hatte einen schneidigen Gang. Er wirkte entschlossen. Sein Kopf war rasiert, und er trug einen dunklen Anzug, den er ziemlich gut ausfüllte, aber nicht mit Fett. Matt kannte diese Statur aus dem Gefängnis. Der leicht o-beinige Gang, die einen Tick angewinkelten Arme – Gliedmaßen, deren natürliche Ruhelage durch die Muskelmasse behindert wurden. Kein Riese. In keiner Weise provokant. Aber hinter der schlanken, harmlosen Fassade lauerte jemand, der anderen Schaden zufügen konnte.
Als der Mann die Hintertür erreichte, sah Matt das fehlende Ohr und die sternförmige Narbe. Er fragte sich, ob der Mann beim Militär gewesen war. Ob die anderen auch dort gewesen waren. Seinem Gang, dem Anzug und dem Auto nach zu urteilen, war er nicht einfach bloß ein Befehlsempfänger. Er war der Boss. Wie zur Bestätigung ging die Hintertür auf, ohne dass der Mann auch nur hätte anklopfen müssen. Einer der Männer trat nach draußen und sah sich um, während der Fiesling grußlos an ihm vorbei im Haus verschwand. Einen Moment später folgte ihm der Gangster, und die Tür schloss sich wieder.
Matt blieb in Deckung, verarbeitete, was er gesehen hatte, und ging erneut seine Möglichkeiten durch. Ein Schachzug drängte sich geradezu auf. Er schlich zum Mercedes und schob sich darunter.
KAPITEL 35
BERGE ÜBER DEM WADI AN-NATRUN, ÄGYPTEN
«Es ist hier nicht mehr sicher», sagte Gracie zu Pater Hieronymus. «Wir müssen Sie hier wegbringen.»
Sie brachte die drei Ordensmänner auf den neuesten Stand. «Bitte vertrauen Sie meiner Erfahrung», schloss sie. «Ich weiß, wie das läuft. Die Übertragungswagen sind bereits unterwegs und die Satellitenschaltungen gebucht. Noch vor Sonnenaufgang wird hier die Hölle los sein. Die Klostermauern halten die Welt wenigstens auf Abstand, bis wir uns entschieden haben, wie es weitergeht.»
Ein weiteres Problem erwähnte sie lieber nicht – wobei es viel gefährlicher war als aufdringliche Medienleute. Sie befanden sich in einem überwiegend muslimischen Land in einer überwiegend muslimischen Region. Sicher, rund zehn Prozent der Einwohner waren Christen – koptische Christen, um genau zu sein –, aber damit blieben da draußen immer noch siebzig Millionen Ägypter, die es vielleicht gar nicht guthießen, was hier gerade vor sich ging. Und dazu noch unzählige Millionen in den Nachbarländern. Immerhin hatte man sich in diesem Teil der Welt nicht davon abbringenlassen, dass die Amerikaner die Mondlandungen vorgetäuscht hatten, um ihre Überlegenheit unter Beweis zu stellen. Hinter allem vermutete man eine «Christenverschwörung», und die Kreuzzüge warfen bis heute einen langen, dunklen Schatten.
Pater Hieronymus war sichtlich bestürzt, erhob aber keine Einwände. Wahrscheinlich hatte er oft genug erlebt, was Menschen einander antaten, bloß weil sie dem falschen Glauben anhingen oder in ihn hineingeboren worden waren. Auch der Abt und der junge Mönch stellten Gracies Einschätzung der Lage nicht in Frage.
«Wir sollten mitnehmen, so viel wir können», sagte sie mit einem Blick auf die Notizbücher. «Alles, was Sie niedergeschrieben haben, Vater. Und alles, was für Sie sonst noch von Wert ist. Ich habe keine Ahnung, in welchem Zustand die Höhle sein wird, wenn Sie das nächste Mal hierherkommen können.» Sie sah mit einem unguten Gefühl zu den Deckenmalereien hinauf, die vielleicht bald verunstaltet sein würden, und bat um die Erlaubnis, zu filmen, wie sie die Höhle verließen. Es wurde ihnen gestattet. Dalton machte rasch ein paar Aufnahmen von der Höhle und der Decke, während die anderen Pater Hieronymus halfen, seine Besitztümer zusammenzupacken.
Wenig später befanden sie sich wieder unter dem Sternenhimmel und machten sich an den Abstieg.
KAPITEL 36
BRIGHTON, MASSACHUSETTS
Matt glitt gerade unter dem großen Mercedes hervor, als er hörte, wie die Hintertür des Hauses wieder
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