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Menetekel

Menetekel

Titel: Menetekel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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Kopf.
    Obwohl außer dem Abt und Bruder Amin auch Dalton und Finch mit in der Höhle waren, hatte Gracie beschlossen, dieses erste Interview nicht aufzuzeichnen. Die Entscheidung war ihr nicht leichtgefallen. Sie war sich aber sicher, dass es das Beste war, erst einmal ein wenig Zeit mit Pater Hieronymus zu verbringen, damit sie sich kennenlernen konnten. Außerdem behagte ihr die Vorstellung nicht, ihm die Neuigkeiten vor laufender Kamera zu präsentieren. Zwar konnte sie so auch nicht seine erste Reaktion auf Video festhalten, aber das ließ sich eben nicht ändern.
    Sie sah zur Höhlendecke hinauf. Die weißen Wirbel, verstörende Darstellungen des Zeichens, das sie über dem Schelf gesehen hatte, prangten überall.
    «Erzählen Sie mir von diesen Malereien», bat sie ihn, auf die Decke deutend.
    Der Priester betrachtete nachdenklich die Symbole über ihren Köpfen und sah dann wieder Gracie an. «Kurz nach meiner Ankunft hier kam eine Klarheit über mich, wie ich sie nie zuvor erlebt hatte. Ich begann die Dinge deutlicher wahrzunehmen. Als wäre mein Verstand plötzlich von seiner Verwirrung befreit worden und könne das Leben als das erkennen, was es wirklich ist. Und diese Gedanken, diese Ideen   … sie stellen sich mit einer solchen Deutlichkeit ein, einer solchen Wucht. Ich brauche nur die Augen zu schließen, und schon fließen sie durch mich hindurch. Es liegt außerhalb meiner Kontrolle. Ich schreibe sie immer auf, dort.» Er zeigte zu seinem Schreibtisch. Auf der abgenutzten Tischplatte lagen ein paar Notizbücher, weitere befanden sich auf einem Fenstersims. «Wie ein getreuer Schreiber», fügte er mit einem flüchtigen Lächeln hinzu.
    Gracie konnte den Blick nicht von ihm wenden, während er sprach. Am meisten irritierte sie, wie ruhig seine Stimme war, wie absolut normal er klang, wie beiläufig sein Tonfall war. Als ob er von einer ganz alltäglichen Erfahrung berichtete. «Und dieses Zeichen?» Sie zeigte wieder nach oben. «Diese Malereien stammen doch von Ihnen, oder?»
    Er nickte bedächtig, nachdenklich. «Dafür habe ich keine Erklärung. Immer wenn die Gedanken zu mir kommen, immer wenn ich die Worte in meinem Kopf höre, dann sehe ich auch das Zeichen. Es ist dann einfach da und leuchtet sehr hell vor meinem inneren Auge. Und nach einer Weile habe ich mich dabei ertappt, wie ich es gemalthabe, immer und immer wieder. Ich weiß nicht genau, wofür es steht, aber   … es ist da, in meinem Kopf. Ich kann es sehen. Ganz deutlich. Und es ist   … mehr als das.» Er zeigte beinahe traurig zur Höhlendecke. «Es ist   … deutlicher. Detaillierter. Strahlender. Lebendiger.» Er sah weg, zögerte. «Es ist schwer zu erklären. Verzeihen Sie, falls das alles zu vage klingt, aber   … es entzieht sich meinem Verständnis.»
    «Könnte es etwas sein, was Sie im Traum gesehen haben?»
    Pater Hieronymus schüttelte lächelnd den Kopf. «Nein. Es ist immer da. Ich brauche nur die Augen zu schließen, um es zu sehen.»
    Gracies Nackenhaare richteten sich auf. «Dann haben Sie es also nie in Wirklichkeit gesehen? Leibhaftig, meine ich?» Dann fiel ihr etwas ein. «Könnten Sie es vielleicht draußen in der Wüste gesehen und es anschließend wieder vergessen haben?»
    «Gesehen? Wo denn?»
    Sie zögerte einen Moment, dann: «Am Himmel?»
    Der Priester neigte leicht den Kopf und zog die Augenbrauen hoch. «Wäre möglich», sagte er nach einem Moment. «Alles ist möglich, so verschwommen, wie meine Erinnerung an diese Wochen ist.»
    Gracie sah zu Finch, dann zum Abt. Sie nickten knapp. Gracie wandte sich zu Dalton herum. Er hantierte bereits mit seinem Laptop.
    Sie spürte, wie ihre Kehle sich zusammenschnürte, als sie sprach. «Ich möchte Ihnen gern etwas zeigen, Pater. Etwas, das wir kürzlich gefilmt haben, in der Antarktis, unmittelbar bevor wir hierhergekommen sind. Ich scheue ein wenigdavor zurück, es Ihnen so unvorbereitet zu zeigen, aber ich denke, dass Sie es sehen sollten. Es hat mit dem Zeichen zu tun, das Sie gemalt haben.» Sie hielt inne, suchte in seinem Gesicht nach Anzeichen von Unbehagen. Es waren keine zu sehen. Sie schluckte schwer. «Möchten Sie es sich ansehen?»
    Die Priester sah sie fragend an, nickte aber so ruhig wie immer und machte eine einladende Geste. «Bitte.»
    Dalton drehte den Laptop so, dass alle den Bildschirm sehen konnten. Er klickte auf Abspielen. Der Kurzbeitrag, den sie dem Sender aus der Antarktis geschickt hatten, fing zu laufen an. Gracie ließ Pater

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