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Menetekel

Menetekel

Titel: Menetekel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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weißen Säulen versehenen Villa, in der die Hauptverwaltung seines Unternehmens zur Förderung christlicher Werte untergebracht war, hinaufstieg. Der Reverend, ein hochgewachsener, eleganter Mann, war bester Laune, gerade hatte er sich die Generalprobe des fünfhundertköpfigen Chors der Weihnachtsshow angesehen. Als er den Anrufer auf dem Display erkannte, winkte er seinen Assistenten weiter, damit er den Anruf allein in seinem Wintergarten entgegennehmen konnte. Auf den Wintergarten war er besonders stolz. Er hatte ihn sich eigens von einem der führenden Londoner Lieferanten von Glashäusern entwerfen und für den Bau einen Trupp seiner Zimmerleute einfliegen lassen. Er hielt gern seine Besprechungen dort ab. Bis in den Wintergarten reichten die Augen und Ohren des kleinen Heers von Mitarbeitern nicht, die in den großflächigen Büros auf dem Campus seiner Megakirche vor sich hin schufteten. Außerdem war es eine Gelegenheit,anzugeben und seine Besucher zu beeindrucken. Und der Wintergarten inspirierte ihn natürlich. Er war in Darbys Augen eine Linse, die Sonnenschein bündelte, ein weißes Loch, das selbst an den trübsten Tagen noch etwas Licht anzusaugen vermochte. Normalerweise half der Wintergarten ihm, seinen ohnehin vorhandenen Sinn für das Wunderbare noch zu erhöhen. Hier bereitete er seine feurigsten Reden vor, in denen er sich Homosexuelle, Abtreibung, Kondome, Evolution, Stammzellenforschung und elitäre Heinis vorknöpfte, die als Hoffnungsträger für das Präsidentenamt galten und praktisch Muslime waren. Er richtete seine bombastischen, giftsprühenden Schimpfkanonaden sogar gegen Pfadfinderinnen, die er als Vertreterinnen des Feminismus brandmarkte, gegen Spiele wie
Dungeons and Dragons
und, was noch bizarrer war, gegen
SpongeBob Schwammkopf
. Hier im Wintergarten entwarf er auch die Predigten für besondere Anlässe wie das nur noch ein paar Tage entfernte Weihnachten, die er dann in seiner siebzehntausend Sitzplätze bietenden Megakirche aus Glas und Stahl halten würde.
    «Reverend», begrüßte ihn der Anrufer. «Wie geht es voran?»
    «Roy», antwortete Darby herzlich und strich unbewusst seinen Anzug glatt. Darby war ein sportlicher Mann von Anfang vierzig mit einem eckigen Gesicht, tiefliegenden Augen und schmalen Lippen. Mit seiner pechschwarzen, zurückgekämmten, perfekt geschnittenen Mähne und den Brioni-Anzügen ähnelte er eher einem Investmentbanker vor der Bankenkrise als einem Prediger. Was keineswegs unpassendwar, hatte man es doch auf beiden Feldern mit Millionenbeträgen und hartem Wettbewerb zu tun. «Schön, von Ihnen zu hören. Wie steht es bei Ihnen?»
    Der Reverend hatte Buscema, einen umtriebigen Journalisten der
Washington Post
, vor etwas über einem Jahr anlässlich eines Porträts für die Sonntagsbeilage der Zeitung kennengelernt. Der detaillierte und überaus schmeichelhafte Artikel hatte den Grundstein für ihre Freundschaft gelegt, und im Laufe der Zeit war Buscema so etwas wie ein inoffizieller Ratgeber geworden. Sie hatten während des Wahlkampfmarathons für die nächste Präsidentschaft zahllose Stunden damit verbracht, das Engagement des Reverends zu diskutieren und zu planen. Buscema hatte die Entwicklungen beeindruckend scharfsinnig und zutreffend eingeschätzt, und einige der überraschenden Wendungen hatte Darby nicht erst aus der Presse erfahren müssen. In seinen Augen war Buscema ein hellsichtiger Analytiker, der wusste, was die Leute dachten und wie er seine Prognosen mit Fakten untermauern konnte. Einen solchen Mann hatte man definitiv gern zur Hand – besonders wenn man aufpassen musste, dass einem die Linken und die Atheisten nicht ans Bein pinkelten.
    Und erst recht, wenn es rundging, so wie jetzt gerade.
    «Das reinste Irrenhaus», sagte Buscema. «Aber hey, ich kann mich wirklich nicht beschweren. Dafür sind wir ja schließlich da. Sagen Sie, haben Sie das mit diesem Ding über den Polkappen mitbekommen?»
    «Das hat wohl jeder.»
    «Was halten Sie davon?»
    «Um ehrlich zu sein, bin ich da ein bisschen überfragt, Roy. Was in Gottes Namen geht da vor?»
    Buscemas Tonfall wurde etwas ernster. «Vielleicht sollten wir uns mal darüber unterhalten. Ich bin morgen in der Stadt. Falls Sie Zeit haben, wie wäre es mit einem kurzen Treffen?»
    «Klingt gut», sagte Darby. «Kommen Sie vorbei. Es interessiert mich sehr, Ihre Einschätzung zu hören.»
     
    Das möchte ich wetten,
dachte Buscema. Sie einigten sich auf eine Uhrzeit, verabschiedeten

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