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Menetekel

Menetekel

Titel: Menetekel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
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niedrig, die Fenster nicht mehr als in die dicken Mauern gehauene schmale Öffnungen – kein Ort, der zum Arbeiten oder Wohnen einlud, aber er war ja auch weder für das eine noch für das andere errichtet worden. Finch stieg die drei Stockwerke nach oben empor und kletterte dann die Holzleiter hoch, die aufs Dach führte.
    Das Blackberry lag hinter einem kleinen stuckverzierten Schornstein im Staub. Finch hob es auf und überlegte, noch einmal an den Rand zu schleichen und einen letzten Blick auf die von Menschen wimmelnde Ebene unten zu werfen, entschied sich aber dagegen. Stattdessen suchte er die Telefonnummer des englischen Produzenten heraus, zückte das Satellitentelefon und rief ihn an.
    Gareth Willoughby war ein angesehener Filmemacher, der die ganze Welt bereiste und eine beeindruckende Liste gutgemachter Dokumentarfilme zu allen möglichen Themen vorweisen konnte. Finch erreichte nur seine Mailbox und hinterließ ihm eine kurze Nachricht mit der Bitte, ihn freundlicherweise zurückzurufen.
    Er warf noch einen letzten Blick über die Wüste, dann machte er sich auf den Weg nach unten. Als er seinen Fuß auf die unterste Stufe der Leiter setzte, hörte er ein leises Murmeln. Die Stimme kam aus einem der kleinen Räume hinter der Kapelle. Eine Männerstimme, nur ein paar Worte, die durch die Stille des labyrinthartigen Baus zu ihm getragen wurden. Er hörte genauer hin. Leise trat er von der Leiterund folgte der Stimme den schmalen Gang entlang auf einen Raum zu, der auf der Außenseite der Feste lag. Finch konnte nicht verstehen, was der Mann sagte, aber er hatte den Eindruck, dass er Englisch sprach.
    Im Durchgang blieb er stehen und sah vorsichtig hinein. Der Mann stand allein im Raum. Ein Mönch. Wie die anderen trug er die traditionelle schwarze Soutane mit der bestickten Kapuze. Er hatte sie über den Kopf gezogen und stand mit dem Rücken zu Finch, der reglos verharrte und reichlich verblüfft war. Der Mann telefonierte mit einem Mobiltelefon. Und er sprach Englisch.
    «Wir dürften in zehn, fünfzehn Minuten aufbrechen. Dann noch einmal zwanzig Minuten, bis wir drüben sind.» Er machte eine Pause. «Gut.» Damit beendete er das Gespräch.
    Als Finch die Stimme erkannte, zog er unwillkürlich einen Fuß zurück, höchstens einen Zentimeter, ein leises Scharren nur – aber der Mönch bemerkte seine Anwesenheit und drehte sich zu ihm um.
    Es war Bruder Amin.
    Die Peinlichkeit des Moments war erdrückend. Finchs Blick fiel kurz auf das Telefon – irgendetwas daran war ungewöhnlich, aber verdattert, wie er war, kam er nicht gleich darauf   –, und er sah dem Mönch misstrauisch in die Augen, bevor er sich fing und seine zweifelnden Gesichtszüge in ein lässig-verlegenes Grinsen rettete.
    «Ich, ähm», machte er und zeigte zum Dach hinauf, «ich hatte mein Telefon oben vergessen.»
    Bruder Amin antwortete nicht. Auch das schiefe Lächeln erwiderte er nicht, er stand bloß da und schwieg.
    Finch spürte die Anspannung des Mönchs. Sein Blick wanderte wieder zum Handy, und nun erst begriff er, was er unbewusst wahrgenommen hatte. Das war natürlich kein Handy. Die hatten hier draußen keinen Empfang. Das war ein Satellitentelefon, mit der typischen übergroßen Klappantenne. Und an seinem unteren Ende steckte ein kleiner Aufsatz, den Finch als Verschlüsselungsmodul erkannte.

KAPITEL 48
    NAHANT, MASSACHUSETTS
    «Dominic hat vor allem für seine Arbeit gelebt», sagte Jenna Reece zu Matt und Jabba. «Selbst wenn die Kinder zu Besuch waren, hat er es kaum einmal hierherauf geschafft, und wenn doch, blieb er mit seinen Gedanken trotzdem im Labor.»
    Sie befanden sich im riesigen Wohn- und Arbeitszimmer ihres Hauses in Nahant, einer kleinen Gemeinde auf einer winzigen halbmondförmigen Halbinsel fünfzehn Meilen nördlich von Boston. Sie lag ein paar Meilen vor der Küste und war mit dem Festland nur durch einen schmalen Damm verbunden, eine Art Nabelschnur. Das Haus der Reeces, eine modern sanierte Villa im holländischen Kolonialstil, lag zum Meer hin an der Westküste der Insel. Es war einmal ihr Sommerhaus gewesen, erzählte Jenna Reece ihnen, aber nach dem Tod ihres Mannes hatte sie ihr Haus in der Stadt verkauft und war ganz hier herausgezogen. Das Wohnzimmer hatte sie in ein Atelier umgewandelt und sich in ihrer Bildhauerei verloren.
    «Ihr Bruder war doch sicher genauso, nicht wahr?»,fragte sie. «Anscheinend gingen sie ja alle völlig in ihrer Arbeit auf.» Sie zog wehmütig die Achseln hoch

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