Mensch Hund
nicht, dann empfindet sie die Strafe für das Zurückkommen und hat demnächst Angst zu kommen.
Und wenn sie nicht so bald wiederkommt? An der Stelle warten, wo wir uns „getrennt“ haben? Das steht in allen Büchern, weil sich der Hund auf seiner eigenen Fährten immer wieder zurückarbeiten kann. Aber täte das ein Leithund? Niemals! Allenfalls könnte ich ihr auf der Spur als leicht lauflahmer Kopfhund folgen, aber — ach ja — mir fehlt ja die Nase.
Oder einfach zur Meute zurück — sprich nach Hause — gehen? Aber da spricht die Angst und Sorge um den Hund wieder dagegen. Wird er allein nach Hause finden, und was passiert, wenn die Straße überquert werden muß und gerade ein Auto kommt?
Ich sitze also auf meinem Baumstamm und fühle mich trotz meiner geistigen Überlegenheit in einem unlösbaren Dilemma, weil ich in jedem Fall das Falsche tue.
Also warte ich, bis sie nach zwei Stunden wiederkommt, bin erleichtert und froh (was der Hund natürlich merkt), nehme sie an die Leine und gehe meines Weges.
Dies ist ein Verhalten, das für einen Kopfhund absolut unmöglich und erniedrigend ist. Aber ich habe sie wieder. Dieser Fall also ist mit der Kopfhundtheorie schon einmal nicht zu lösen, und wir müssen uns entschließen, doch zu Lob und Tadel, zu Strafe und Anreiz, also zum Zwang zu greifen.
Die Möglichkeiten zu Lob und Tadel sind jedoch beim Hund sehr beschränkt. Für das Lob kommen in Frage: Leckerbissen, Streicheleinheiten und gute Worte.
Als Tadel gibt es: Schimpfen, Schläge und Futterentzug.
Um die richtige Anwendung von Lob und Tadel festzustellen, müssen wir zunächst die einzelnen Arten der Erziehung oder der Abrichtung differenzieren.
Hier sind erstens die neutralen Erziehungsvorgänge zu nennen, die dem Hund weder angenehm noch unangenehm sind. Es handelt sich hierbei um Sachen, die er einfach beim Heranwachsen lernen muß. So z.B., wo bekomme ich mein Fressen, wo mache ich mein Geschäft, wo ist mein Platz, sowie einfache Kommandos wie „Platz“ und „Sitz“.
Dieses sind die einfachsten Erziehungsvorgänge, die fast nur mit Lob zu erledigen sind. Das höchste der Gefühle sollte hierbei mal ein laut gesprochenes ,,Pfui“ sein.
Beispiel: Unsere kleine Diane hat sehr schnell gemerkt, daß wir nicht gerade glücklich darüber waren, wenn sie ihr Bächlein im Hausflur laufen ließ. Dagegen wurde sie gelobt und geliebelt, als sie die ersten Male draußen ihr Geschäft verrichtete. Nach einigen Tagen hat sie niemals mehr in den Flur gemacht.
Die zweite Gruppe der Erziehungsmaßnahmen betreffen die Sachen, die der Hund gerne täte, aber nicht darf. Man muß sich darüber im Klaren sein, daß es sich hierbei meist um Vorgänge handelt, die für den Hund völlig normal und angewölft sind, die sich jedoch ein domestizierter Hund nicht mehr leisten kann.
Hier sind zu nennen: Möbelanknabbern, Blumenbeete ausschachten, Spielsachen der Kinder klauen, im Mülleimer wühlen oder auch Nachbars hübsche Hündin decken.
Hier kommt man mit Lob alleine schon nicht mehr zurecht, denn für ein Unterlassen kann man ein Tier schlecht loben, weil man ja gar nicht weiß, ob es diese oder jene Untat gerade im Kopf hatte. Daffke buddelt im Blumenbeet und gräbt alle Tulpenzwiebeln aus. Ich warte, bis er genüßlich alle durchgekaut hat und lobe ihn anschließend, weil er nun fertig ist und nicht mehr buddelt. Das Ergebnis wird sein, daß auf Jahre hinaus keine Tulpen mehr in unserem Garten zu finden sind.
Also müssen wir doch tadelnd eingreifen oder, wenn schon etwas geschehen ist, strafen. Aber nicht nur das, sondern gleichzeitig andere Reize schaffen, und, wenn der Hund auf diese eingeht, sofort loben. Das heißt, wir müssen sein Interesse in andere, jedoch hundegerechte Bahnen lenken, und ihn zu Tätigkeiten anregen, die ihm genauso viel Spaß machen, für uns jedoch weniger destruktiv sind.
Danny hat zum Beispiel in ihrer Jugend mit Vorliebe unseren Schuhschrank angeknabbert und hat auf kein „Pfui“ oder „Aus“ oder auf Zeitungsschläge, zumindest langfristig, reagiert. Erst als wir ihr einen von mir zurecht geschnitzten Holzklotz gaben, um darauf herumzukauen — wenn sie doch unbedingt Holz haben wollte —, waren die Reste unseres Schuhschrankes gerettet. Eigentlich gehört in diese Gruppe auch das Jagen. Jedoch möchte ich darauf noch später zu sprechen kommen, weil hierbei die Situation doch etwas komplizierter ist.
Die dritte Gruppe der Erziehungs- oder Abrichtemaßnahmen
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