Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
es sich genauer überlegte, und da er den Herrgott seit fast drei Wochen nicht mehr mit einer Existenzbitte belästigt hatte, tat er es jetzt. O Herr, mache mich weise wie einen nüchternen Alkoholiker, bat er. Gib mir genügend Verstand, um entscheiden zu können, ob es sich lohnt, hinter diesem verfluchten Jakob Willnius herzuschnüffeln oder nicht.
Er sah ein, dass beide dieser einfachen Bitten gewisse Unklarheiten beinhalteten, aber es war Sonntagabend, und er war müde. Richtig müde. Das lag sicher daran, dass er am Nachmittag sieben Kilometer gelaufen war, und in letzter Zeit war es schlecht um sein Training bestellt gewesen. Um die Bedingungen etwas deutlicher werden zu lassen, fügte er hinzu:
Na gut, packen wir es an, lieber Gott. Wenn ich mich wirklich dafür entscheide, der infamen Behauptung der Ex-Ehefrau nachzugehen – dann kriegst du drei Punkte, wenn es etwas bringt, aber du verlierst zwei, wenn es in einer Sackgasse endet. Okay?
Der Herr antwortete nicht, obwohl er im Augenblick nicht weniger als elf Punkte über der Entscheidungslinie lag, aber selbstsichere Anführer waren schon früher in der Weltgeschichte übermütig geworden und kläglich gescheitert, das war nichts Neues. Es lag keine besonders komplizierte Psychologie hinter einer derartigen Einschätzung.
Dachte Inspektor Barbarotti, schaltete die Nachttischlampe aus und drehte das Kopfkissen um.
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D en Montag und Dienstag über fühlte Kristoffer Grundt sich nicht wirklich anwesend.
Oder besser gesagt, alles um ihn herum erschien ihm unwirklich. Fremd. Morgens wachte er in einem großen, hellen Zimmer mit einem Klavier, einem Elchkopf und merkwürdigen grünen Pflanzen auf. Nach dem Frühstück mit Berit und Ingegerd (wie zum Teufel konnte man ein Kind nur Ingegerd taufen?) nahm er den Bus ins Zentrum von Uppsala. Stieg am Busbahnhof aus, zündete sich eine Zigarette an und überquerte eine vielbefahrene Straße. Drückte die Zigarette aus, durchquerte ein Einkaufszentrum und gelangte in ein weiteres. Hier lag der Konsum, sein Arbeitsplatz. Er begann damit, sich eine grüne Jacke überzuziehen und irgendwelche Gefrierartikel hin und her zu schleppen, danach Kühlwaren, dann Konserven bis zur Mittagspause. Anschließend ging er ins Einkaufszentrum und aß eine Schale Thainudeln. Lief eine Weile in der Stadt herum, rauchte und guckte sich Leute an, die er nicht kannte. Um ein Uhr kehrte er zurück in den Laden, zog sich die grüne Jacke an und schleppte Waren hin und her bis fünf Uhr. Der Bus nach Bergsbrunna fuhr um Viertel nach.
Der Gedanke, er könnte ebenso gut irgendjemand anderes sein, nagte an ihm. Ein anderer Mensch. Niemand würde einen Unterschied bemerken. Vermutlich nicht einmal Berit und Ingegerd, sie hatten ihn seit mehreren Jahren nicht gesehen und hätten sicher sonst jemanden akzeptiert, der vor ihrer Tür gestanden und behauptet hätte, er heiße Kristoffer Grundt.
Aber am Dienstagnachmittag nahm er nicht den Bus zurück nach Bergsbrunna. Er bestieg stattdessen den Vorortzug nach Stockholm – und das erschien ihm noch unwirklicher. Während er dasaß und durch das schmutzige Fenster hinaus auf die dunkle Landschaft starrte, die vorbeihuschte (mit erstaunlich geringer Bebauung, wie er fand, obwohl man doch auf dem Weg nach Stockholm war, es sah hier fast aus wie in Norrland), wünschte er, Henrik würde in seinem Kopf auftauchen. Mit ihm sprechen und ihm das eine oder andere Wort mit auf den Weg geben. Das könnte er gebrauchen, nicht weil Henrik besonders viel mit der Wirklichkeit zu tun hatte, aber es wäre schön gewesen. Henriks Stimme – Henriks eingebildete Stimme – hatte etwas an sich, das beruhigend auf ihn wirkte. Aber momentan war sie nicht herbeizurufen, es nützte nichts, dass er die Augen schloss und sich intensivst konzentrierte. Henrik war fort, wie schon seit den letzten zwei Wochen. War er dabei, für immer zu verschwinden? Dieser Gedanke versetzte Kristoffer einen Stich, er gab auf und versuchte sich stattdessen auf die Zukunft zu konzentrieren. Die konkrete, sehr naheliegende Zukunft.
Mit Tante Kristina in Stockholm essen gehen! Wieso das? Wieso hatte sie vorgeschlagen, dass sie sich in dieser Form trafen? Das war schon ein wenig unverständlich, wie der alte Nachbar Månsson im Stockrosvägen immer sagte. Kristoffer hatte Kristina noch nie vorher allein getroffen. Und wenn er mit ihr über Henrik und Walter und all das reden wollte – jetzt wo er sich sowieso in Uppsala so ganz in der
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