Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
Verwunderung hervorrufen. Aber vielleicht war das ja auch Alltag in Stockholm, das konnte er nicht sagen. Vielleicht wimmelte ja die ganze Stadt um diese Uhrzeit nur so von Jugendlichen. Auf jeden Fall musste er vorsichtig sein, sich zum Hauptbahnhof begeben, der öffnete bereits um fünf oder sechs Uhr morgens, wie er zu wissen meinte. Vielleicht ein kleines Frühstück – und dann in den erstbesten Zug nach Sundsvall springen.
Er würde sein Handy einschalten, wenn er ein Stück weit gekommen war, ungefähr bis Gävle. Dann seinen Vater anrufen und ihm erzählen, dass er unterwegs sei. Und wann er ankomme.
Wenn sein Vater – gegen alle Erwartungen – etwas von einem Mord in der letzten Nacht in Enskede gehört hatte und wenn er ihn erwähnte, dann würde Kristoffer den Verständnislosen mimen. Wenn sein Vater erzählte, dass es Kristinas Mann war, der erschossen worden war, ja, dann würde er den noch Unwissenderen spielen.
That’s it, dachte Kristoffer Grundt. Du wirst bald Frieden in deinem Grab haben, mein Bruder. Das hier wird laufen wie geschmiert.
Er lag noch eine ganze Weile da und versuchte nach Unruhe und Zweifeln in sich zu suchen, aber wie sehr er auch suchte, er fand nichts dergleichen.
Es war fast etwas merkwürdig. Ein Gefühl von guter Laune, fast Freude, erfüllte ihn mehr und mehr. Begann sich zwischen Rinderfilet, Sauce béarnaise und Gratin zu zwängen.
Er schaute auf die Uhr. Viertel vor zehn. Vielleicht gab es doch noch ein wenig Platz für ein bisschen Tee und ein paar Pfefferkuchen. Vielleicht musste sein Magen richtig voll sein.
Denn es war da noch ein Detail. Ein winziges Detail. Er musste heute Nacht hoch und probeschießen. Musste wissen, dass die Waffe funktionierte. Aber das dürfte kein Problem sein. Er hatte den Wecker seines Handys auf drei Uhr gestellt. Dann nur eben raus aus dem Bett, in die Kleider, in den Wald gerannt und dort einen Schuss abgefeuert. Vielleicht zwei kurz hintereinander. Ein paar hundert Meter vom Haus entfernt, niemand würde ein paar entfernte Schüsse mitten in der Nacht beachten. Kein Problem.
Aber es war nötig. Nicht mit den Details pfuschen.
39
F reitag, der 3. Dezember, begann erneut mit heftigem Schneefall. Nicht ganz von dem gleichen Kaliber wie der, welcher Anfang der Woche im ganzen Land Chaos verursacht hatte, aber dennoch richtete er einigen Schaden an. Unter anderem war der öffentliche Verkehr in Süd-und Westschweden erheblich beeinträchtigt, und Gunnar Barbarotti dankte seiner Voraussicht, dass er eine Fahrkarte für einen Zug gelöst hatte, der bereits um sechs Uhr morgens von Kymlinge abfuhr. Unter normalen Verhältnissen wäre er gegen zehn Uhr in Stockholm gewesen, jetzt war es stattdessen kurz nach zwölf, und seine früheren Eskapaden mit Inlandsflügen noch gut im Gedächtnis, konnte er nicht umhin, sich zu fragen, ob man in Zukunft nicht doch klein beigeben und souveräner Privatautofahrer werden sollte.
Aber andererseits gab es an diesem Vormittag auf den Straßen sicher auch kein Durchkommen – und er hatte noch zwei Stunden Zeit bis zu seiner Verabredung mit Kristina Hermansson. Er überquerte Centralplan und Vasagatan und checkte im Hotel Terminus ein – das Zimmer war noch nicht fertig, also musste er zunächst einmal seine Tasche in der Rezeption stehen lassen -, und anschließend ging er weitere hundert Meter im herumwirbelnden Schnee und aß in Jensen’s Bøfhus zu Mittag. Frikadelle mit Zwiebeln, aber auf dänische Art.
Und während er dort saß und aß, spürte er, wie die Anspannung hinsichtlich des bevorstehenden Treffens zunahm. Sogar seine Kopfhaut begann zu jucken, und das tat sie eigentlich nur, wenn etwas ganz Besonderes passierte.
Vielleicht bekam er ja auch Schuppen. Das war ein Problem gewesen, das er im Zusammenhang mit seiner Scheidung erlebt hatte, aber als alles überstanden gewesen war, als er und Helena glücklich getrennt waren und nicht mehr zusammenlebten – als alle Papiere unterschrieben waren und alle offenen Wunden Schorf angesetzt hatten -, da hatte sich auch seine Kopfhaut beruhigt. Seine Friseurin, eine junge Dame mit achtundvierzig makellosen Zähnen und Augen wie tiefe Brunnen, hatte behauptet, das wäre psychosomatisch. Sie konnte das Wort nicht richtig aussprechen, aber dennoch. Leute, denen es gut ging, hatten einfach keine Schuppen, das hatte sie in zweieinhalb Jahren in diesem Beruf gelernt.
Aber mir geht es doch gut, dachte Gunnar Barbarotti und bestellte sich einen
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