Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
vormachen konnte, sich selbst etwas vormachen konnte man nicht. Das war ihm jetzt klar.
Und nachdem er Walter von dem Lafroggen, oder wie zum Teufel der hieß, angeboten hatte, war er natürlich gezwungen, auch den anderen noch eine Runde auszugeben, da diese inzwischen ihre Gläser geleert hatten. Alle nahmen dankend an, ausgenommen Rosemarie, die ihre Litanei wiederholte, dass sie sich nie etwas aus besagtem Getränk gemacht habe, und außerdem vertrug sie es nicht so gut – und Kelvin, der dazu übergegangen war, unter dem Tisch auf dem Bauch zu liegen und das Teppichmuster zu untersuchen.
Und vielleicht lag es am anfänglichen Übermaß an diesem begnadeten Single Malt Whisky, dass der Abend sich so gestaltete.
Vielleicht lag es auch an etwas ganz anderem. Psychologisch unklare, aber einander naheliegende und sich beeinflussende Faktoren beispielsweise, über die keiner der Anwesenden einen Überblick hatte oder auch nur hätte haben können.
Oder – natürlich – an einer Kombination von beidem.
7
A lso, etwas hat mich im Laufe der letzten Jahre verwundert«, erklärte Jakob Willnius, »und zwar, warum nicht mehr Menschen sich dafür entscheiden, dieses Land zu verlassen, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Ich meine, wer möchte schon an einem Dienstagmorgen im Februar in Tranås aufwachen, wenn man es in Sevilla könnte?«
»Es geht nur, wenn man genügend Polster hat«, erklärte Karl-Erik und sah aus, als widme auch er sich teilweise diesem populärpsychologischen Aspekt. »Das haben nicht alle, und das kann man wohl auch nicht verlangen.«
»Wann geht es los?«, fragte Leif Grundt.
»Wir können am ersten März ins Haus, im schlimmsten Fall am fünfzehnten. Und was wir nicht mitnehmen, lagern wir ein, ihr braucht euch nicht schon jetzt Gedanken hinsichtlich des Erbes zu machen.«
»Mein Gott«, sagte Kristina. »Wir würden doch nie …«
»Spanien ist nicht schlecht«, sagte Leif Grundt. »Vierzig Millionen Spanier können sich ja wohl nicht irren.«
»Sogar zweiundvierzig«, erklärte Karl-Erik. »Am 1. Januar 2005. Aber sie haben einen Altersüberhang, fast vergleichbar mit unserem hier.«
»Die Sache wird sicher nicht besser dadurch, dass ihr dorthin zieht?«, warf Kristina ein.
»Das verstehe ich jetzt nicht«, sagte Karl-Erik und schnupperte vorsichtig an seinem leeren Glas.
»Das war aber nicht nett«, sagte Ebba und richtete drohend eine Gabel auf ihre kleine Schwester. »Aber du hast bisher nie davon geredet auszuwandern, Papa, oder? Ich hoffe wirklich, dass das nichts mit … mit den Ereignissen des letzten Herbstes zu tun hat.«
»Natürlich nicht«, betonte Rosemarie augenblicklich. »Ich verstehe gar nicht, wovon du redest. Will wirklich keiner mehr von der Pastete? Die zweite ist ja kaum angefangen.«
»Das lasse ich mir nicht zweimal sagen«, meinte Leif Grundt.
»Ich glaube, ich brauche noch ein Bier«, sagte Walter und kämpfte sich aus seinem Sessel hoch. »Aber mehr Pastete schaffe ich nicht, Mama, du musst entschuldigen.«
»Tu, was du willst, Walter«, sagte Mama Rosemarie und zeigte einen etwas schwer zu deutenden, wehmütigen Blick.
»Eier«, sagte Kelvin etwas überraschend unten auf dem Fußboden.
»Wir wollen natürlich auf keinen Fall in irgend so eine schwachsinnige Schwedenkolonie«, fuhr Karl-Erik fort, nachdem er sein Glas abgestellt und seiner Ehefrau einen kurzen Blick zugeworfen hatte. »Vergesst nicht, wenn wir die andalusische Hülle nur ein wenig ankratzen, dann finden wir eine Geschichte und einen Kulturschatz, der seinesgleichen sucht in Europa. Auf der ganzen Welt. Hier gibt es kein finsteres Jahrhundert, überall finden sich Spuren jüdisch-maurisch-christlicher Koexistenz, die sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Hinsicht wirklich einzigartig ist … wie ich behaupten möchte. Oben in Albaicín zu sitzen und über die Alhambra zu schauen, während jemand unter den Platanen klassische Gitarre spielt … ja, wahrscheinlich muss ich Jakob recht geben. Das ist etwas vollkommen anderes als ein Dienstag in Tranås.«
»Hm, ja«, räusperte sich Jakob Willnius.
»Jakob hat so einige Probleme mit schwedischen Kleinstädten«, sagte Kristina. »Das betrifft nicht nur Tranås.«
»Ich hoffe, die Pastete war nicht zu salzig«, warf Rosemarie Wunderlich Hermansson ein.
»Die Pastete war ausgezeichnet, liebste Mama«, sagte Ebba Hermansson Grundt.
»Ist es euch schon gelungen, das Haus zu verkaufen?«, wollte Leif Grundt wissen, als er mit
Weitere Kostenlose Bücher