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Menschen und Maechte

Menschen und Maechte

Titel: Menschen und Maechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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war er auch Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen mit Carter – davon soll noch die Rede sein. In Guadeloupe jedoch schien noch die Sonne. Die künftige Rolle Chinas, die Lage im Iran, die Haltung der Sowjetunion und die Probleme des Nahen Ostens standen im Vordergrund unserer weiteren Gespräche.
    Das Treffen auf Guadeloupe verlief harmonisch und angenehm, auch für die vier Ehefrauen – und Carters kleine Tochter Amy, die wie immer auch diesmal dabei war. Die bei protokollarisch ausgestatteten Besuchen oder Konferenzen allgemein üblichen »Damenprogramme« sind für die Ehefrauen oft langweilig bis qualvoll. Manche glauben, wenn sie die Bilder im Fernsehen verfolgen, es müsse den Frauen der Politiker doch eine große Freude sein, in quasihöfischer Weise ihr Land zu repräsentieren. In Wahrheit ist oft das Gegenteil der Fall – wie überhaupt die Ehefrauen und die Familien führender Politiker enorme Opfer im Privatleben bringen müssen. Auf Guadeloupe aber war es anders: Es gab eine schöne Abendparty in einem alten kreolischen Gutshaus, das Freunden der Giscards gehörte; wir lernten Kokosnüsse mit der Machete aufzuschlagen und waren guter Dinge. Meiner Frau blieb als besonders schönes Erlebnis in Erinnerung, daß sie einen halben
Tag lang einen großen Trimaran steuerte, der gerade den Atlantik überquert hatte.
    Carter setzte die Chinapolitik Nixons fort. Gerald Ford hatte den späteren Vizepräsidenten George Bush als persönlichen Beauftragten nach Beijing entsandt, Carter stockte die dortige amerikanische Vertretung zu einer normalen Botschaft auf und eröffnete reguläre diplomatische Beziehungen. Das war in den Augen der europäischen Regierungen folgerichtig und vernünftig. Die Bundesrepublik hatte diesen Schritt schon früher vollzogen; wir rechneten seit langem mit der künftigen Weltmachtrolle Chinas, wenn auch der Zeitraum bis dahin schwer abgeschätzt werden konnte. Allerdings vermieden wir sorgfältig, die Sorgen des Kremls auszunutzen und Beijing gegen Moskau auszuspielen. Wir vergaßen nie, daß die am weitesten im Westen stehenden sowjetischen Truppen nur eine Stunde, die sowjetischen Flugzeuge nur wenige Minuten östlich der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland stationiert waren. Demgegenüber war China weit entfernt. Es würde Jahrzehnte dauern, bis seine Streitkräfte denen der sowjetischen Militärmacht halbwegs gleichwertig waren. Vor allem aber gab es für Beijing – trotz der zu Lebzeiten Mao Zedongs vertretenen These von der Unvermeidlichkeit eines dritten Weltkrieges – keinen Anlaß, sich in die West-Ost-Spannungen anders als gelegentlich und peripher einzumischen; wenn dies geschah, beschränkte sich die chinesische Führung meist auf psychologisch-propagandistische Kommentare.
    Aus der völlig anderen geographischen Perspektive der USA heraus konnte das auf den ersten Blick anders aussehen. Als Beijing amerikanische und auch europäische Waffen kaufen wollte, hielt Brzezinski dies eine Zeitlang für eine Gelegenheit, China in zusätzliche Spannungen mit der Sowjetunion hineinzumanövrieren und für die amerikanische Außenpolitik einspannen zu können. Wir Europäer haben Carter gemeinsam davon abgeraten; er ist diesem Rat gefolgt. Seine Schwierigkeiten, im Kreml verstanden zu werden, waren ohnehin groß genug.

    Teilerfolg im Nahen Osten
    Von der definitiven Normalisierung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen abgesehen, lagen die außenpolitischen Erfolge Carters vor allem im Zustandebringen des Vertrages über den Panamakanal und in seiner Mitwirkung am Teilerfolg der großartigen Friedensmission Anwar as Sadats. Dessen Reise nach Jerusalem hatte bereits im November 1977 stattgefunden. Auf Carters Initiativen kamen im September 1978 und im März 1979 die beiden Camp-David-Konferenzen zwischen Sadat und Begin zustande; als Gastgeber vermittelte er und erreichte schließlich den Friedensvertrag. Carter ist dabei, auch durch seine persönliche Reisediplomatie in Kairo und Jerusalem, ein hohes innenpolitisches Risiko eingegangen, zumal inzwischen die Umwälzung im Iran scharfe Kritik an seiner Politik gegenüber Teheran ausgelöst hatte. Der durch den Friedensvertrag erreichte Teilerfolg mußte und muß gleichwohl als eine Errungenschaft Carters gewertet werden.
    Bonn spielte während dieses Prozesses nur eine Nebenrolle; sie bestand in flankierenden Gesprächen mit dem saudischen König und mit Kronprinz Fahd, dem als Ministerpräsident eine entscheidende Bedeutung

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