Menschen und Maechte
Mossadegh geblieben; auf den Schah hatte sich die amerikanische Konstruktion des Cento-Paktes, mit dem Iran als Anker, seither im wesentlichen gestützt. Von daher datierte die amerikanische Vorliebe für den Mann auf dem Pfauenthron; sie hielt an, als der Cento-Pakt längst keine Bedeutung mehr besaß und Reza Pahlevi den Kontakt zur Wirklichkeit schon lange verloren hatte.
Der Schah regierte das Land vornehmlich mit Hilfe seiner Geheimdienste, mit Hilfe des Militärs und schließlich – seit der ersten Ölpreisexplosion, bei der er einer der Antreiber gewesen war – mit Hilfe überwältigender Finanzkraft. Diese verführte ihn zu einer überstürzten Industrialisierungsanstrengung, mit welcher weder die hergebrachte Sozialstruktur noch die Infrastruktur (Häfen, Straßen, Elektrizitätsversorgung und städtische Leistungsfähigkeit) Schritt halten konnten. Das Land und seine Bevölkerung wurden rücksichtslos überfordert; zugleich wurden alle Oppositionellen brutal unterdrückt. Dagegen lebten die oberen Zehntausend in
Saus und Braus. Korruption und Bereicherung erreichten ein Ausmaß, das ich in keinem anderen Lande jemals erlebt habe.
Schon 1975 hatte mich ein kurzer Besuch in Teheran davon überzeugt, daß dieses Regime keinen Bestand würde haben können. Der einzige Mensch, der am Hofe des Schahs seinen Mund öffnete, ohne vom Kaiser-der-Kaiser gefragt zu sein, war die intelligente und couragierte Schahbanu Farah. Einen ähnlichen Grad an höfischer Unterwürfigkeit habe ich nur noch ein einziges Mal erlebt, nämlich am »Hofe« des Führers Ceauşescu, dessen Familienclan das Land im Namen des Marxismus ausbeutet und den Staatschef nahezu vergöttlicht.
Nicht wenige deutsche Industrielle wie auch die Industriellen anderer europäischer Staaten und der USA wallfahrteten damals nach Teheran, jedermann wollte am Boom teilhaben. Westliche Unternehmer gaben sich die Klinke in die Hand, und Mahnungen zur Vorsicht wurden nicht ernst genommen. 1977 begannen Demonstrationen der verschiedenen oppositionellen Gruppierungen; sie führten zu blutigen Unterdrückungsmaßnahmen und zu einer Kette gegenseitiger Eskalation, die 1978 kulminierte.
Im Januar 1979 verließ der Schah das Land. Erst in den letzten Wochen vor seiner Flucht begriff man in Washington den Ernst der Lage. Aber jetzt rächte es sich, daß man zu keiner der oppositionellen Gruppen Kontakte gepflegt hatte, schon gar nicht zu den muslimisch-schiitischen Kräften, die am Ende ein diffuses, in seinem diktatorischen Charakter der gestürzten Herrschaft des Schahs aber durchaus vergleichbares Regime errichteten – unter der geistigen Führung Khomeinis, den der Schah verbannt und verleumdet hatte. Über Nacht standen die USA vor der Notwendigkeit, ihre gesamte Strategie im Mittleren Osten neu zu definieren und sich neue Stützpunkte zu sichern. Dabei hatte Washington zunächst viele der ins Gewicht fallenden Kräfte gegen sich; seit dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan schlug allerdings die Furcht fast der ganzen Region vor der Sowjetunion für die USA positiv zu Buche.
Aus dem großen Abstand, den die Bundesrepublik zu den dramatischen Veränderungen im Nahen und Mittleren Osten hatte, waren die objektiven Probleme wohl besser zu erkennen als in
Washington, wo man direkt involviert war. Nicht nur durch den Anschein der offenen Parteinahme für Israel und gegen die Palästinenser hatten sich die USA die islamische Welt immer mehr entfremdet, zuletzt sogar die konservativen und prowestlichen Staaten in der Region. Auch das rasche Fallenlassen des Schahs nach so vielen Freundschaftsbeteuerungen schockierte Saudi-Arabien wie Ägypten gleichermaßen, trotz aller Kritik, die sie an dem Monarchen geübt hatten. Als Washington Reza Pahlevi nicht einmal Exil gewähren wollte, stand Sadat dem inzwischen todkranken Manne bei und holte ihn nach Ägypten. Als Carter überflüssigerweise auch noch öffentliche Vorwürfe an die Adresse von Zia ul-Haq in Pakistan richtete, hatte er seine Position in der Region insgesamt weitgehend verspielt.
Carters Reaktion auf die sowjetische Besetzung Afghanistans war gleichfalls nicht wohlerwogen. Er erließ ein teilweises Handelsembargo (vor allem für Weizen) und verkündete einen Boykott der Moskauer Sommerolympiade 1980; Brzezinski redete polemisch von der Notwendigkeit einer »Bestrafung« der Sowjetunion. Aber dafür gab es weder brauchbare Mittel noch die Zustimmung der Alliierten; zur Entschädigung ließ sich
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