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Menschen und Maechte

Menschen und Maechte

Titel: Menschen und Maechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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    Für mich war klar, daß die Durchführung des Doppelbeschlusses in seinen beiden Elementen im strategischen Sicherheitsinteresse Deutschlands und Westeuropas den Vorrang haben mußte vor dem Bestand meiner Regierung. Es waren deshalb innerparteiliche Gründe, die mich im Mai 1981, wenige Tage vor einer Reise nach Washington, veranlaßten, diese Überzeugung sowohl vor einer nordrhein-westfälischen als auch vor einer bayerischen Delegiertenkonferenz meiner Partei öffentlich klarzustellen. Das Presseecho auf beide Reden war dramatisch. Die rechtsstehenden deutschen Medien sprachen von »schriller Begleitmusik« zur Reise und vom »Rücken zur Wand«. Die eher liberalen und die linken Blätter reagierten säuerlich: »Kann Amerika sich auf Deutschland noch verlassen?« Oder: »Wenn die Regierung über den Herbst kommt …«
    In Washington jedoch setzte man auf den deutschen Bundeskanzler, zumal wenige Tage zuvor François Mitterrand an die Stelle Valéry Giscard d’Estaings getreten war und man in Washington von der Politik des neuen französischen Präsidenten nur eine sehr unklare und – wegen dessen Absicht zur Koalition mit den französischen Kommunisten – ziemlich falsche, negative Vorstellung besaß. »Washington Post« und »New York Times« hatten verlangt, »Schmidt auf halbem Wege entgegenzukommen«, und geurteilt: »Schmidt braucht Freunde«. Joseph Kraft hatte am 21. Mai geschrieben: »Der jetzt zu Besuch kommende Bundeskanzler ist wahrscheinlich der beste Freund, den Amerika in der Welt hat … Seine innenpolitischen Schwierigkeiten resultieren in hohem Maße aus seinem Willen, als Freund der USA fest zu bleiben.« Und James Reston hatte tags zuvor festgestellt: »Er ist Washingtons stärkster
Verbündeter in Europa … Aus vielerlei Gründen ist er in Washington willkommen.«
    Reagan und Haig waren vermutlich zu ähnlichen Ergebnissen gelangt. Jedenfalls wurde der Besuch, wenn auch nicht in der wichtigen Frage der ökonomischen Steuerung der Welt, insgesamt ein Erfolg für beide Seiten. In langen Gesprächen haben wir alle Felder der internationalen Politik erörtert und entdeckten keine Meinungsdifferenzen von Belang. Reagan nahm meine Einladung nach Bonn an (sein Besuch fand ein Jahr später, im Juni 1982, statt), und im Zusammenhang mit meinem Besuch wurde die Ernennung meines alten Freundes Arthur Burns zum Botschafter in Bonn bekanntgegeben. Wichtiger noch als all dies war: Reagan und ich verstanden uns persönlich gut. Gewiß hatte seine Vorbereitung durch Alexander Haig dabei eine wichtige Rolle gespielt, der Deutschland und auch mich aus seiner SACEUR-Zeit gut kannte. Ich habe nicht übertrieben, als ich am Schluß des Besuches über den neuen Präsidenten sagte: »Ich mag diesen Mann.«
    Mir hatte nicht nur sein männlicher Charme gefallen. Vor allem hatte mir imponiert, wie er psychisch und körperlich die Folgen des Revolverattentats überstanden hatte, das knapp zwei Monate zuvor auf ihn verübt und bei dem er schwer und schmerzhaft verletzt worden war. Ich begriff vielleicht eher instinktiv als rational, weshalb dieser Mann in seinem Volke so beliebt war: Er ist gelassen; er spricht erst nach einer kleinen Pause des Überlegens; er benutzt zwar sehr einfache Bilder und Worte, aber die Sorge, daß er seine Meinung über Nacht ändern könnte, verspürt man nicht. Reagan ist stolz, er ist auch stolz auf sein Land; er sieht nahezu alle Probleme als Amerikaner und nur als Amerikaner. Immerhin, er hat auch die Fähigkeit, einem Europäer zuzuhören.
    Auch meiner Schilderung des neuen französischen Präsidenten hörte Reagan interessiert zu. Ich hatte Mitterrand vor dessen Amtsantritt verschiedentlich getroffen, Reagan kannte ihn noch nicht. Ich gab mir Mühe, meinem amerikanischen Gastgeber zu erläutern, warum wir beide davon ausgehen dürften, daß der Wechsel von Giscard zu Mitterrand nicht zu einem grundlegenden Wechsel der französischen Außen- und Sicherheitspolitik führen werde. Ich
berichtete Reagan von meiner Absicht, auf dem Rückflug einen Abstecher nach Paris zu machen, um den neuen Staatspräsidenten unmittelbar über unsere Washingtoner Gespräche zu informieren. Reagan begrüßte diese Absicht und trug mir Empfehlungen an Mitterrand auf.
    Am Schluß unserer drei Unterhaltungen am 21. und 22. Mai 1981 war ich erleichtert und glaubte, es nach vier Jahren der Unsicherheit nun wieder mit einem stetigen und deshalb kalkulierbaren amerikanischen

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