Menschen und Maechte
Präsidenten zu tun zu haben. Reagan hatte die feste Absicht zu intensiver Konsultation mit seinen Verbündeten und zur Vermeidung von Überraschungen. Daß seine Administration diesen Vorsatz später nur zum Teil eingehalten hat, daß wir zum Beispiel von Nitzes und Kwizinskis »Waldspaziergang« im Juli 1982 und der dabei erörterten Kompromißformel über die eurostrategischen Nuklearwaffen erst nach deren Ablehnung und auch erst durch Indiskretionen der Presse erfuhren, hat meine Erwartungen später enttäuscht; aber das konnte ich im Mai 1981 noch nicht wissen. Daß Reagan aus innenpolitischen, das heißt agrarpolitischen Gründen Carters Getreideembargo gegen die Sowjetunion aufhob, kam für mich nicht überraschend.
Das internationale positive Echo der Medien auf unser Treffen im Mai 1981 war gleichfalls keine Überraschung. Staatssekretär Kurt Becker faßte seinen Bericht über das deutsche Medienecho einige Tage später in der Feststellung zusammen, das Treffen sei überall freundlich kommentiert worden und auch das persönliche Verhältnis zwischen Präsident und Bundeskanzler werde allgemein als positiv gewertet. Die amerikanischen Medien waren derselben Meinung. Die Zeitungen der westeuropäischen Staaten kommentierten in der gleichen Tonart, aber sie fügten zwei Gesichtspunkte hinzu: In der Frage der amerikanischen Hochzinspolitik sei Reagan Europa nicht entgegengekommen; zum anderen hoben sie die Bestätigung der engen Entente zwischen Frankreich und Deutschland hervor – mit Recht, wie ich dachte und auch heute noch denke.
Meine eigene positive Bewertung Reagans wurde wenige Wochen später durch den Verlauf des siebten Weltwirtschaftsgipfels in Montebello bei Ottawa bestärkt. Sowohl Reagan als auch Mitter rand nahmen zum ersten Mal an einer solchen Konferenz teil; beide fügten sich gut in die inzwischen fast schon traditionell zwanglose Atmosphäre dieses Treffens. Der kluge, nachdenkliche, aber nach außen fast immer heitere kanadische Premierminister Pierre Trudeau war ein raffinierter Gastgeber; er hatte das Treffen in ein großes, im Blockhausstil gebautes Hotel in fast unberührter Landschaft einberufen, in dem wir uns einfach wohl fühlen mußten – vor allem aber Reagan. In einer der Pausen kutschierte ich ihn auf einem Elektro-Golfkarren durch den Park, andere Teilnehmer trieben ähnlichen Unfug; es wurde viel gelacht. Trudeau kannte ich seit Jahren und habe bis heute meine Zuneigung zu ihm bewahrt. Als Vorsitzender der Konferenz sorgte er in Montebello für eine zügige, zugleich gelassene Verhandlungsführung.
Abb 38 Zum 6. Weltwirtschaftsgipfel 1980 hatte man sich in Venedig versammelt.
mit dem kanadischen Premierminister Pierre Trudeau in Venedig.
Abb 4
Abb 5 Ein Jahr später traf man sich in einem großen, im Blockhausstil gebauten Hotel in Montebello bei Ottawa, was vor allem auch dem neuen amerikanischen Präsidenten sehr zusagte.
Reagans Beiträge fielen meiner Erinnerung nach eigentlich nur durch die Betonung des handelspolitischen Aspektes der weltwirtschaftlichen Lage auf. Er ist ein Freihändler aus Überzeugung und hat auch später, in den Jahren der durch seine eigenen Haushaltsdefizite verursachten enormen Handelsdefizite der USA, dem starken protektionistischen Druck weitgehend widerstanden, den der Kongreß, viele amerikanische Gewerkschaften und große Teile der amerikanischen Industrie auf ihn ausübten. Reagans freihändlerische Grundgesinnung war freilich von einer ausgeprägten Neigung zu handelspolitischen Sanktionen, Embargos et cetera begleitet, die er als Instrumente amerikanischer und insgesamt westlicher Außenpolitik verstand, nicht als Mittel der internationalen Wirtschafts-und Handelspolitik. Es war fast zwangsläufig, daß es ein Jahr später, während des von Mitterrand präsidierten Wirtschaftsgipfeltreffens in Versailles im Juni 1982, auf handelspolitischem Felde zu einem heftigen Disput mit seinem sozialistisch-colbertistischen französischen Kollegen kam. Außerhalb des handelspolitischen Feldes waren Reagans ökonomische Kenntnis und Urteilskraft gering.
Im Laufe unserer mehrfachen Begegnungen während des Jahres 1981 und besonders im Januar 1982 stachen mir drei charakteristische Eigenheiten Ronald Reagans immer stärker ins Auge: erstens, seine Neigung und Fähigkeit, komplizierte Zusammenhänge
lediglich in vereinfachter Form aufzufassen und sie dann, nochmals vereinfacht, zu interpretieren und politischen Schlußfolgerungen zuzuführen;
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