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Menschen und Maechte

Menschen und Maechte

Titel: Menschen und Maechte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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vielmehr hinsichtlich der freiwilligen Unterwerfung der Politiker unter die Fernsehdramaturgie.
    Versuchung zur »économie dominante«
    Wenngleich das Bewußtsein der Notwendigkeit gemeinsamer Strategie und gemeinsamen Handelns auch zu Zeiten Carters und Reagans auf beiden Seiten des Atlantik nicht verlorenging, so wurde diese Erkenntnis in der Praxis Washingtons doch immer mehr vernachlässigt. Die Lücke konnte nur teilweise und nur vorübergehend
durch die enge Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Deutschland gefüllt werden. Die Orientierung, die von dem Tandem Giscard d’Estaing/Schmidt in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ausging, strahlte ein wenig auch auf den ganzen Westen zurück. Aber mit drei nahezu gleichzeitigen Personenwechseln, im Winter 1981 von Carter zu Reagan, im Frühjahr von Giscard zu Mitterrand sowie im Herbst 1982 von Schmidt zu Kohl, verfiel die Konstellation; sie ist bis heute nicht ersetzt worden.
    Auch Reagan war nicht in der Lage, eine kraftvolle Führung des Westens herzustellen. Seine Popularität zu Hause täuschte ihn selbst wie auch die öffentliche Meinung seines Landes über die in Europa – und auch in Deutschland – empfundene Malaise, daß eine klare gemeinsame Gesamtstrategie des Westens tatsächlich nicht vorhanden war. Daß sie fehlte, zeigte sich vornehmlich auf zwei Feldern: zum einen gegenüber der Sowjetunion und zum anderen hinsichtlich der seit 1963 gefährdeten Funktionstüchtigkeit der Weltwirtschaft.
    Die ökonomischen Streitigkeiten hatten schon innerhalb weniger Wochen nach Carters Amtsantritt 1977 begonnen. Der neue amerikanische Präsident empfahl uns eine inflatorische Geld- und Haushaltspolitik; zudem verlangte er kategorisch eine Reduzierung unserer privatwirtschaftlichen Exporte von Kernreaktoren, wobei er die Möglichkeit andeutete, daß man der Bundesrepublik, falls sie darauf nicht eingehe, kein angereichertes Uran für ihre eigenen Kernkraftwerke mehr liefern werde. Wir lehnten beide Forderungen ab. Im ersten Falle fügten wir die Warnung hinzu, die von Carter für seine eigene Volkswirtschaft beabsichtigte Ausweitung der Nachfrage würde nur zu einer schnelleren Inflation führen. Im zweiten Falle legten wir unsere eigenen beschäftigungspolitischen Interessen dar und beriefen uns auf das im Artikel 4 des Nichtverbreitungsvertrages verbriefte Recht zur friedlichen Nutzung der Kernenergie. Außerdem wiesen wir darauf hin, daß wir uns sorgfältig an alle auf diesem Felde gültigen internationalen Verträge hielten. Es dauerte längere Zeit, bis Carter schließlich einlenkte.

    Hingegen blieb Carters Drängen, Deutschland und Japan sollten durch großzügige »Reflationierung« die Weltwirtschaft wieder in Gang bringen, ein ständiger Punkt seiner Mahnungen an uns. Wir kamen ihm in dieser Frage auf der von mir geleiteten Bonner Weltwirtschaftsgipfelkonferenz im Sommer 1978 schließlich ein Stück entgegen und handelten dafür die Zusage der Freigabe der inneramerikanischen Ölpreise ein, das heißt, bei steigenden Benzin-und Heizölpreisen in den USA mußte die amerikanische Gesamtnachfrage nach Energie auf den Märkten der Welt entsprechend nachlassen. Freilich erlebten wir später, daß Carter das Gegenteil tat, indem er mit öffentlichen Mitteln Öleinfuhren in die USA subventionierte und damit die Rotterdamer Spotpreise für die ganze Welt nach oben trieb; die zweite Ölpreisexplosion durch die OPEC kündigte sich an. Wir Deutschen waren übrigens mit richtigem Beispiel vorangegangen und hatten die Ölpreise voll auf die Verbraucher durchschlagen lassen; in der Folge erzielten wir eine wesentliche Öleinsparung durch Industrie und Konsumenten.
    In der Bundesrepublik erfolgte die allgemeine Nachfrageausweitung nach dem Gipfel 1978 auf dem Wege von Steuersenkungen und Investitionsprogrammen, welche, auf das Jahr gerechnet, etwa ein Prozent unseres Sozialproduktes ausmachen sollten. Carter sagte mir Ende November 1978, seine Steuersenkungen vom Jahresanfang 1978 hätten gleichfalls etwa ein Prozent des Bruttosozialprodukts ausgemacht. Diesen Hinweis verband er aber mit der Feststellung, nunmehr (also nach den Kongreßwahlen Anfang November 1978) sei die Inflationsbekämpfung sein Hauptproblem; deshalb wolle er das Haushaltsdefizit für das am 1. Oktober 1979 beginnende Haushaltsjahr um die Hälfte verringern. Ich dachte an das plattdeutsche Sprichwort »Rin in de Kartüffeln, rut ut de Kartüffeln!«

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