Menschen und Maechte
und wünschte ihm Erfolg; denn die amerikanische Inflation gefährdete die Stabilität vieler Staaten. Zehn Tage danach besuchte mich der amerikanische Präsidentschaftskandidat Ronald Reagan; er führte Carters Antiinflationsprogramm auf den Druck der Republikanischen Partei zurück.
Schon im Spätsommer 1979 stellte sich heraus, daß die Carter-Administration außerstande war, die grundlegenden Faktoren der
Entwicklung der eigenen Volkswirtschaft in ähnlichem Ausmaß in den Griff zu bekommen, wie dies im kontinentalen Europa weitgehend erreicht war. Die Talfahrt des Dollarwechselkurses war jetzt im vollen Gange. Washington drängte uns, die deutsche Bundesbank möge in höherem Maße mit DM intervenieren, um Dollars aus dem Markt zu nehmen. Wir konnten dem Ersuchen aber nur in begrenztem Umfang folgen, weil wir das Inflationsrisiko im eigenen Lande ernst nahmen; jede zur Stützung des Dollar ausgegebene DM blähte die deutsche Geldmenge auf. Zum Ausgleich solcher DM-Aufblähung wäre eine deutsche Hochzinspolitik nötig geworden, diese wiederum hätte die Konjunktur insgesamt gedämpft und die Arbeitslosigkeit vermehrt. Ich war einverstanden mit einer vorsichtigen deutschen Kooperation, riet aber gleichzeitig zu amerikanischen Goldverkäufen, um den Dollarkurs zu stützen, und zu höheren Zinsen in den USA, wo der reale Zinsfuß damals bei Null lag.
Ende September 1979 traf ich, gemeinsam mit Finanzminister Matthöfer und Bundesbankpräsident Emminger, im Hamburger Übersee-Club mit dem an Stelle von Michael Blumenthal neuernannten amerikanischen Finanzminister William Miller, seinem Stellvertreter Anthony Solomon und dem Präsidenten des Federal Reserve Board, Paul Volcker, zusammen. Volcker und Solomon sind vorzügliche Fachleute; deshalb taten sie mir innerlich leid, als sie keine durchschlagende Antwort wußten auf meine nüchterne Feststellung, man könne letzten Endes mit Deviseninterventionen das politische Vertrauen der Marktteilnehmer in die wirtschaftliche Entwicklung der USA nicht wiederherstellen. Wie immer in solchen Fällen informierte ich umgehend Giscard d’Estaing und sagte ihm: »Die Amerikaner wollen abermals Währungskredite in DM von uns, um damit den Dollar zu stützen. Ich glaube, ich muß ein wenig nachgeben. Aber die Amerikaner müssen selbst etwas tun, in Sachen höherer Zinsen und all dem. Washington muß sein Haus selbst in Ordnung bringen, wenn es uns auffordert, Amerika zu helfen.« Giscard war ähnlicher Meinung und vertrat sie auch öffentlich. Tatsächlich war die Carter-Administration jedoch nicht in der Lage, ihr eigenes Haus wieder in Ordnung zu bringen. Im Gegenteil, die Inflation stieg schnell, ebenso die Arbeitslosigkeit; das angestrebte Wachstum aber war gering. Der Dollar, der zu Beginn der Carter-Administration bei 2,90 DM gestanden hatte, war im Januar 1980 nur noch 1,71 DM wert.
Abb 29 Die sogenannten Weltwirtschaftsgipfel, 1975 in Helsinki zwischen Ford, Giscard d’Estaing, Wilson und Schmidt erstmals verabredet, ermöglichen einen relativ zwanglosen Meinungsaustausch und haben schon deshalb einen hohen politischen Wert.
Aufnahmen vom Tokio-Gipfel 1979; auf dem unteren Bild rechts Bundesfinanz-minister Matthöfer.
Auch die Reagan-Administration hat später nicht vermocht, die Haushalts- und Geldpolitik der USA auf verläßliche Grundlagen zu stellen. Allerdings gelang Reagan ein kolossaler Konjunkturaufschwung mit Hilfe einer ökonomischen Politik, die zunächst zwar »supply side economics« (Angebotspolitik) genannt wurde, sich in Wahrheit aber als eine Politik staatlicher Nachfrageausweitung durch schnell wachsende Haushaltsdefizite erwies, wie sie in dieser Größenordnung seit den dreißiger Jahren in der ganzen industriellen Welt nicht mehr vorgekommen war.
Während Carter seine haushaltspolitischen Versprechungen nicht erfüllen konnte, hat Reagan die seinen, die noch weiter gingen, durch seine tatsächliche Handhabung der ökonomischen Politik sogar in das krasse Gegenteil verkehrt. Carter wurde für seinen Fehlschlag noch während seiner vierjährigen Amtszeit innenpolitisch bestraft; dagegen mag es sein, daß der ökonomische Fehlschlag Reagans der amerikanischen Öffentlichkeit erst nach seiner zweiten Amtszeit bewußt wird. Carter war eben nicht mit Glück gesegnet.
Sowohl die Carter- als auch die Reagan-Administration handelten nach der bequemen Maxime, immer dann, wenn das amerikanische Publikum die unzureichenden Ergebnisse der eigenen
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