Menschen und Maechte
japanischen Sozialproduktes in den Export, im deutschen Falle ist der Exportanteil drei- bis viermal so groß wie in den USA.
Es war den Regierungen in Tokio wie in Bonn gleichermaßen klar, daß sie auf beide Ölpreisschocks, die innerhalb ihrer Volkswirtschaften eine drastische Kaufkraftabschöpfung bewirkten, zunächst mit einer binnenwirtschaftlichen Nachfrageausweitung und mit einer außenwirtschaftlichen Verschuldung (Japan nach 1973, Deutschland nach 1979) antworten mußten, um ihre Volkswirtschaften funktionstüchtig und den unvermeidlichen Beschäftigungsabfall in Grenzen zu halten. Beide Regierungen haben aber gleicherweise darauf geachtet, danach eine budgetäre Konsolidierung einzuleiten. Japan war dabei beschäftigungspolitisch erfolgreicher als Deutschland. Dafür waren vor allem zwei Gründe
maßgebend: Zum einen waren die Japaner insgesamt viel genügsamer, sie verzichteten freiwillig auf den dringend benötigten Ausbau ihrer unzureichenden Sozialversicherung und auf angemessene Wohnbedingungen; ihre Gewerkschaften waren weithin einflußlos und blieben zudem in ihren Lohnforderungen sehr bescheiden; die aufeinanderfolgenden Rechtsregierungen der Liberal-Demokratischen Partei (LDP) hatten es weder nötig noch waren sie willens, auf die Gewerkschaften Rücksicht zu nehmen. Zum anderen war und ist die japanische Volkswirtschaft binnenwirtschaftlich im höchsten Maße eine staatlich beeinflußte Marktwirtschaft; wenn man Vergleiche mit den USA, mit England, Frankreich, Italien, Kanada oder Deutschland zieht, hat das Tokioter Ministerium für Außenhandel und Industrie (MITI) ganz ungewöhnliche Interventionsrechte, die von den Unternehmungen akzeptiert werden. Die japanische Regierung interveniert leise, aber höchst wirksam.
Freilich haben die japanischen Regierungen und das MITI die Sache übertrieben; sie haben aus merkantilistischer Gesinnung im Laufe der achtziger Jahre ungeheure Überschüsse ihrer Leistungsbilanz gegenüber dem Rest der Welt erwirtschaftet. Im Ergebnis verzichteten die Japaner auf einen durchaus möglichen Zuwachs an Lebensstandard zugunsten eines Zuwachses an ausländischen Schuldverschreibungen und an Investitionen im Ausland. Japan wurde im Laufe der achtziger Jahre zum größten Kapitalexporteur der Welt. Die ständig wiederholten amerikanischen Anklagen waren also vorhersehbar, wenngleich die amerikanische Regierung dazu wenig Anlaß hatte; denn sie hatte ihren Kapitalimportbedarf selbst verschuldet, und ihr Beitrag zur Fehllenkung der Handels-und Finanzströme der Welt war doppelt so groß wie in umgekehrter Richtung der japanische.
England war unter Callaghan zunächst vorsichtig der Carterschen Linie gefolgt; von 1979 an kam es unter Margaret Thatcher zu einem härteren budgetären Kurs, der mit einer »monetaristisch« begründeten Geldpolitik einherging. Ministerpräsidentin Thatcher ließ sich weder von Carters noch von Reagans Enthusiasmus täuschen; weder in der einen noch in der anderen Verkleidung dachte
sie daran, in willentlich ausgelösten zusätzlichen Haushaltsdefiziten das Heil der britischen Volkswirtschaft zu suchen. Da aber gleichwohl ihre ökonomische Politik nicht sonderlich erfolgreich war, blieb sie von amerikanischen Belästigungen verschont. England konnte es sich deshalb immer leisten, Washington ein wenig nach dem Munde zu reden, ohne tatsächlich auf den jeweiligen Kurs des Weißen Hauses einzuschwenken.
Die Gründe für den relativ geringen Erfolg der Londoner Wirtschaftspolitik liegen in der vornehmen, aber recht undynamischen Mentalität des industriellen Managements und in den aus dem 19. Jahrhundert mitgeschleppten Klassenkampfattitüden sowohl der Gewerkschaften und ihrer Anhänger einschließlich der Labour-Partei als auch des industriellen Managements, der Oberklassen und der Konservativen Partei. Die Folge waren – und sind immer noch – eine vergleichsweise geringe industrielle Innovation und ein relativ geringer Produktivitätsfortschritt. Allerdings bildet die Bank- und Finanzwelt Londons, die sogenannte City, eine wichtige Ausnahme von der allgemeinen Regel. Insgesamt konnten wir weder vom britischen Beispiel viel lernen, noch konnten wir von London Hilfe gegen amerikanische Zumutungen erwarten. Anders war es immer dann, wenn Washington aus außenpolitischen Gründen handelspolitische Restriktionsmaßnahmen verlangte; in diesen Fällen lief das traditionelle englische Bekenntnis zum Freihandel parallel mit Bonner
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