Menschen und Maechte
Arroganz interpretiert wurden.
Der Argwohn der Filipinos ist sehr viel größer. Und im Falle der Koreaner, gleichgültig, ob sie im Norden oder im Süden der zweigeteilten Halbinsel leben, kann nicht mehr von Argwohn, sondern muß von Feindschaft gegenüber Japan und von verständlichem Haß die Rede sein. Die Thais halten natürlich Vietnam für die größte Gefahr – angesichts des aggressiven vietnamesischen
Imperialismus in Laos und Kambodscha, unmittelbar an der thailändischen Grenze. Ansonsten aber haben fast alle Völker der Region in gleicher Weise Furcht sowohl vor Japan als auch vor China. Dabei werden die sechzehn Millionen Auslandschinesen, aber auch die kommunistischen Parteien und Organisationen im eigenen Land als fünfte Kolonne Beijings aufgefaßt, während gleichzeitig die Erinnerung an die japanische Besetzung und die hohe wirtschaftliche Überlegenheit Japans eine Annäherung an Tokio verhindern.
Die Japaner haben zudem – anders als die Deutschen – seit 1945 wenig dazu beigetragen, daß die Nachbarn ihre Ressentiments abbauen und durch ein auf zunehmende Kooperation gegründetes Vertrauen ersetzen konnten. Für viele Japaner, vor allem für die wesentlich in der konservativen LDP (Liberal-Demokratischen Partei) vereinte politische Rechte, ist die Bilanz des Zweiten Weltkrieges mit der Zerstörung Hiroshimas und Nagasakis ausgeglichen und abgeschlossen – ein folgenschwerer Irrtum.
Die beschränkte Rolle Japans
In den sechziger Jahren begannen die Anstrengungen der Regierung in Tokio, die politischen und psychologischen Klüfte zwischen Japan und seinen Nachbarn zu überbrücken, welche seit dem japanischen Imperialismus besonders tief waren – bisher mit nur geringem Erfolg. Dies liegt vor allem daran, daß es den Japanern offenbar an Schuldbewußtsein fehlt. Soweit ich sehe, hat sich Takeo Fukuda – zunächst Außen- und Finanzminister unter Sato, Tanaka und Miko, sodann Ende 1976 bis Ende 1978 Premierminister – am stärksten um das Bild eines von allen Nachbarn als friedlich empfundenen Japan verdient gemacht. Auch sein bedeutendster Nachfolger, Yasuhiro Nakasone, der nach kurzen Zwischenspielen Ohiras 1979/80 und Suzukis 1980/ 82 im September 1982 Premierminister wurde, hat sich um eine Normalisierung des Verhältnisses zu den anderen Staaten Ost- und Südostasiens bemüht. Da Nakasone aber zugleich einer betont nationalen Selbsteinschätzung seines Volkes und seines Staates Rechnung trägt, gelang ihm diese Normalisierung weniger gut als Fukuda – obschon inzwischen ein weiteres Jahrzehnt seit Kriegsende vergangen ist.
Oktober 1978: Empfang durch Kaiser Hirohito.
Fukuda und Nakasone gehören beide der seit über dreißig Jahren regierenden LDP an. Sie stehen außenpolitisch jeweils am äußeren Rand des Spektrums ihrer Partei, die – ähnlich wie die Democrazia Cristiana in Italien – in mehrere »Fraktionen« gespalten ist; Fukuda gab die Führung seiner Fraktion Ende 1986 im Alter von 81 Jahren ab. Beiden bin ich im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte häufig begegnet; mit Fukuda verbindet mich eine enge Freundschaft. Die Begegnungen und Erfahrungen mit diesen beiden Staatslenkern scheinen mir besonders geeignet, die geringe Flexibilität der japanischen Gesamtstrategie zu verdeutlichen. Sie bleibt in sehr charakteristischer Weise in Zwänge eingebunden, die einstweilen wenig Spielraum lassen und gegen Ende des Jahrhunderts Japan möglicherweise in die gefährliche Versuchung führen können, auszubrechen. Auf den folgenden Seiten soll also vornehmlich von Fukuda und Nakasone die Rede sein, obschon ich auch die Premierminister Sato, Miko, Ohira und Suzuki und deren jeweils wichtigste Minister kennengelernt habe.
Kaiser Hirohito bin ich dreimal begegnet. In seiner Person – wie im Kaiserhaus insgesamt – sehen die Japaner die Kontinuität der japanischen Geschichte verkörpert. Als ich ihm das erste Mal gegenüberstand, hatte ich freilich keine Vorstellung von seiner nationalen Bedeutung; heute – nach zehn oder zwölf Besuchen in Japan – ist in diesem Punkte mein Eindruck immer noch sehr undeutlich. Natürlich waren mir die wichtigsten Daten seines Lebenslaufes geläufig. Hirohito ist 1901 geboren, er ist seit 1926 Kaiser. Ich wußte, daß in der hohen Zeit des Imperialismus – mit Beginn der dreißiger Jahre – das Militär die Macht weitgehend an sich gezogen hatte; dennoch setzte ich voraus, daß der Tenno beteiligt gewesen war am Entschluß zum Überfall auf
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