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Menschenfänger

Menschenfänger

Titel: Menschenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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ein Verrat vorgekommen – und mit der Tatsache, einem Mörder zur Freiheit verholfen zu haben, konnte sie auch nicht leben.«
    »Ach komm! Was will eine Frau von einem brutalen Sexualmörder?«
    »Genau diese Frage, denke ich, hat Evelyn Knabe in den Suizid getrieben«, kommentierte Nachtigall nüchtern, und Skorubski sah ihn verständnislos an. »Wenn wir das Tagebuch gefunden haben, wird sich dieses Rätsel lösen.«
     
    Inzwischen war es früher Nachmittag geworden.
    Als Albrecht Skorubski den Wagen vor einem Klinkerbau am Ortsausgang von Kahren parkte, drang laut Musik zu ihnen herüber.
    »Hier wird gerade eine Party gefeiert«, murmelte Nachtigall unbehaglich und klingelte.
    Praktisch sofort wurde die Tür von einer lachenden Frau Anfang 50 aufgerissen, die lebhaft gestikulierend die Neuankömmlinge ins Haus bat. Die graumelierten Haare trug sie unkompliziert kurz geschnitten, das Gesicht war kräftig geschminkt, der breite Mund kirschrot nachgezogen. Große Ohrringe reflektierten das Licht, und das gelbschimmernde Seidenkleid wollte weder zu ihrer Frisur noch zur Jahreszeit so recht passen.
    »Rupert!«, rief sie schrill nach hinten, ohne den beiden Fremden eine Chance zu geben, sich vorzustellen. »Rupert! Deine Überraschungsgäste sind da!«
    Ein mittelgroßer, unglaublich dicker Mann mit rundem Gesicht, das sich über den Hemdkragen bis auf die Schultern ausbreitete, weil er keinen Hals zu haben schien, stand plötzlich mit verdutztem Gesichtsausdruck im Flur. Er zog ein blütenweißes Stofftaschentuch aus der schwarzen Hose und wischte sich damit den Schweiß von der Stirn.
    »Merkowski«, stellte er sich in fragendem Ton vor und streckte Nachtigall eine weiche, feuchte Hand entgegen. Die Frau kicherte albern.
    »Nachtigall und Skorubski. Kriminalpolizei Cottbus.«
    Diese Eröffnung schien die Dame des Hauses noch mehr zu amüsieren, sie schlug sich prustend und gar nicht ladylike auf die Oberschenkel und verschluckte sich. Ein heftiger Husten setzte ein – sie kicherte noch immer.
    Nachtigall kam zu dem Ergebnis, dass sie wohl schon nicht mehr ganz nüchtern war, und fragte sich im Stillen, was hier gefeiert wurde.
    »Ich habe leider eine furchtbare Nachricht für Sie – Ihre Tochter Johanna ist heute ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden worden.«
    Das Entsetzen war beinahe mit den Händen zu greifen.
    Herr Merkowski starrte Nachtigall sekundenlang regungslos an, sagte kein Wort. Nur seine Arme hingen schlaff an den Seiten herunter und sein Gesicht verlor alle Farbe. Selbst die Lippen wurden weiß. Die Frau im gelben Kleid taumelte rückwärts gegen die Wand und riss dabei eine Vase um, die am Boden zerschellte. Sie schlug beide Hände vors Gesicht, und ein leises Stöhnen kam aus ihrer Richtung.
    »Johanna? Das ist unmöglich. Johanna?«, flüsterte Herr Merkowski rau und sah Nachtigall flehentlich an.
    »Ja – ihre Haushälterin hat sie heute Morgen gefunden.«
    Die fröhliche Musik drang noch immer laut bis in jeden Winkel des Hauses und wirkte in ihrer unerträglichen Heiterkeit fast surreal. Von einer Sekunde auf die andere verstummte sie und hinterließ eine schmerzhafte Stille. Nachtigall registrierte, wie sich der Flur mit bunt gekleideten Damen und Herren in dunklen Anzügen füllte, die wissen wollten, was passiert sei. Frau Merkowski saß auf dem Boden in den Scherben der zerbrochenen Vase und weinte an der Schulter einer Freundin, während Herr Merkowski noch immer nur den Namen seiner Tochter wiederholte. Peter Nachtigall beschloss, die Party aufzulösen. Er richtete sich zu voller Größe auf, erhob seinen Bass und informierte die Gäste darüber, dass es einen Todesfall in der Familie gegeben habe und die Party nunmehr beendet sei. Dennoch dauerte es fast eine halbe Stunde, bis die letzten Gäste das Haus verlassen hatten.
     
    Später saßen die Eltern mit Nachtigall und Skorubski in einem üppig ausgestatteten Wohnzimmer. Die Musik war verstummt, doch überall konnte man erkennen, dass hier heute ein rauschendes Fest hätte stattfinden sollen. Sekt stand bereit, Gläser und Platten mit Kanapees, salziges Gebäck und süße Snacks.
    »Wer hat meine Tochter ermordet?«, wollte Herr Merkowski wissen, und Nachtigall hörte, wie viel Anstrengung es ihn kostete, sich zu beherrschen. Neben ihm in der Ecke der Couch kauerte seine Frau. Sie schniefte und wimmerte leise vor sich hin, während ihr Mann ihr abwesend, vermeintlich tröstend, den Oberschenkel tätschelte.
    »Das wissen wir noch

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