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Menschenfänger

Menschenfänger

Titel: Menschenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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ihn ein ablenkender, heißer Schmerz durchzuckte, während Dr. Pankratz kraftvoll den Brustkorb auseinanderbog. Dabei ragten seine spitzen Ellbogen zu beiden Seiten hoch auf, und in Nachtigalls Vorstellung entstand das Bild eines Insekts, das seine Beute in einen Kokon einwickelte, um es später zu verzehren.
    »Sehen Sie – hier ist ja auch schon die Todesursache! Überall Blut im Medastinum – der Einstich hat die Herzkammer durchbohrt und Blut ist mit einem Druck von vielleicht 140 mmHg in den Herzbeutel geströmt. Das führt innerhalb kurzer Zeit zum Tode – der Herzmuskel wird zusammengepresst, der Kreislauf bricht zusammen.«
    »Innerhalb kurzer Zeit – mein Gott, soll das heißen, sie hat diesen Stoß ins Herz noch überlebt?«
    »Ja, wenn Sie so wollen. Aber wahrscheinlich war sie nicht mehr bei Bewusstsein. Und der Zeitraum, über den wir hier sprechen, dehnt sich nur über ein bis zwei Minuten aus.«
    Eine Stunde später war Peter Nachtigall schon so schockiert, dass er glaubte, alle müssten sehen, wie ihm die Haare zu Berge standen.
    Der Täter war gnadenlos zu Werke gegangen und hatte dabei auch im Innern des Körpers großen Schaden angerichtet.
    »Dieser Täter lebt seine psychopathischen Lustfantasien schrankenlos aus. Er hat sein Opfer so traktiert, dass mehrere innere Organe verletzt wurden, Vagina und Darm perforiert zum Beispiel. Er ist brutal, rücksichtslos und sadistisch. Um diese Art von Verletzungen zu verursachen, benutzte er mehrere, sehr unterschiedlich geformte Messer. Daneben verfügt er über ein Gerät, das er elektrisch aufheizen kann – etwas wie einen Tauchsieder. Das Besondere hier ist, dass er verschiedene Aufsätze dafür hat, die Verbrennungen in verschiedenen Größen und unterschiedlichsten Formen hinterlassen haben. Diese bogenförmigen hier hat er seinem Opfer wahrscheinlich mit einer glühenden Schlaufe beigebracht. Einige Aufsätze hat er in den Körper eingeführt, um innervaginal und im Darm Verbrennungen herbeizuführen«, erklärte der Rechtsmediziner ruhig.
    »Wie lange hat er sich dafür Zeit genommen?«
    »Mehrere Stunden.«
    »Und bei all dem war sie noch am Leben?«
    »Oh ja. Die einzige Verletzung, die ihr definitiv nach dem Eintritt des Todes beigebracht wurde, ist dieser Stich in Höhe des Bauchnabels.«
    »Und der Stich ins Herz? Können Sie uns mehr sagen, als nur, er war die Todesursache?«
    »Ja. Eindringtiefe und Stichführung zeigen zweierlei: Er hat mit äußerster Kraft zugestoßen und er muss dabei direkt über dem Opfer gehockt oder gestanden haben. Ich denke, er saß auf ihr und reckte sich hoch, um dann zuzustechen.«
    Dr. Pankratz demonstrierte an einem Skalpell, was er meinte.
    »Er umfasste den Griff wahrscheinlich mit beiden Händen, kniete sich über das Opfer und holte Schwung. Dann stieß er mit aller Kraft zu. Der Stichkanal ist senkrecht, er hat also nicht hinter dem Kopf ausgeholt, sondern nur durch die Streckung nach oben. Es war eine triumphale Geste – fast wie bei einem Ritualmord.«
    »Nach vielen Stunden der Folter mag es für sie eine Erlösung gewesen sein.«
    »Für ihn war es sicher der machtvollste Augenblick.« In Dr. Pankratz’ Augen lag ein eisiges Funkeln.
    »Und er hat dafür gesorgt, dass sie ihm die ganze Zeit bei seinem Tun zusehen musste. Die Augenlider sind mit Sekundenkleber am oberen Rand der Augenhöhle festgeklebt.«
    Schockiert sah Nachtigall das tote Mädchen an.
     
    Mit einem metallischen Geräusch öffnete sich die Tür, und ein schmächtiger Herr mit dichtem weißem Haar schob sich mit erwartungsvollem Blick in den Saal. Er deutete eine Verbeugung an und stellte sich mit unnötig lauter Stimme vor: »Dr. Ganter. Zahnarzt. Ich komme wegen Frau Knabe.«
    Dr. Pankratz deutete mit einer Kopfbewegung zum anderen Tisch hinüber.
    »Dort drüben.«
    »Wir brauchen nur Ihre Bestätigung der Identität«, erklärte Nachtigall und sah dem Zahnarzt misstrauisch nach, als er zu seiner ehemaligen Patientin huschte. Vielleicht war Dr. Ganter ja nekrophil, dachte er, so etwas mochte ja auch unter Zahnärzten geben.
    Dr. Ganter öffnete einen kleinen Koffer und entnahm ihm die Krankenakte der Verstorbenen sowie einige Röntgenbilder und Instrumente. Sein leises Gemurmel drang zu der Gruppe um Johanna Merkowskis Körper hinüber, als er voller Eifer mit der Begutachtung des Gebisses begann. »Oh, oh, mit dem Backenzahn wären Sie sicher bald in der Praxis vorbeigekommen. Tztztz, Frau Knabe, Sie müssen doch bemerkt

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