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Menschenfänger

Menschenfänger

Titel: Menschenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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Scheibe Pumpernickel mit Schinken und Käse«, verkündete Nachtigall, schaltete das Radio ein und machte sich an die Vorbereitungen.
    Eine Viertelstunde später saß er in bequemen, weiten schwarzen Jeans und schwarzem Sweatshirt am Küchentisch, ein Glas Wein neben sich und die Tagebücher der Evelyn Knabe vor sich.
    Casanova belegte den Stuhl neben ihm und ließ eine ausgestreckte Pfote wie zufällig auf dem Oberschenkel seines Mitmenschen ruhen. Nachtigall schmunzelte. Auch Casanova war nicht gerne allein.
     
Tagebuch Evelyn Knabe, 1. August
     
    Heute bin ich zum ersten Mal dem geheimnisumwitterten Klaus Windisch begegnet. Die anderen haben mir schon so viel über ihn erzählt, von den Gräueltaten, die er begangen haben soll.
    Wenn man ihn so sieht, würde man nie vermuten, dass er überhaupt etwas Brutales tun könnte. Er wirkt so sympathisch. Gar nicht wie ein gnadenloser Killer. Als er mich bemerkte, nickte er mir freundlich zu. »Neu hier?«, fragte er dann und lächelte. Ich konnte vor Verblüffung nur nicken und kam mir mal wieder ziemlich einfältig vor. Offensichtlich machen mir selbst Männer Angst, die wohl verwahrt hinter Schloss und Riegel sitzen! Lächerlich! Ich habe doch den Schlüssel! Die anderen meinen auch, man brauche vor Windisch keine Angst zu haben, er sei stets höflich und es habe in den letzten Jahren nicht ein einziges Mal Probleme mit ihm gegeben. Das nächste Mal werde ich nicht wieder wie ein verschrecktes Huhn reagieren, was soll er denn von mir denken!
     
     
Tagebuch Evelyn Knabe, 7. August
     
    Als ich heute über den Gang lief, um Franz Lehmann zu einem Gespräch mit seinem Anwalt abzuholen, nickte Klaus Windisch mir wieder freundlich zu und lächelte mich an. Es wäre einfach nicht in Ordnung gewesen, es zu ignorieren, also lächelte ich flüchtig zurück. Er schien sich darüber zu freuen. Und ich fühlte mich seltsam beschwingt.
    Die anderen erzählten mir, er habe zwei Frauen brutal ermordet. Sie hätten unvorstellbare Qualen erleiden müssen, bevor sie endlich sterben durften. Aber wenn ich ihn dann so sehe, adrett, gepflegt und unglaublich freundlich, glaube ich, der Falsche sitzt ein. Ich habe in den letzten Tagen viel über ihn nachgedacht. Wäre es nicht wirklich denkbar, dass er jemanden deckt? Einen Bruder zum Beispiel oder einen besonders guten Freund. Jemanden, der ihm früher vielleicht mal das Leben gerettet hat und in dessen Schuld er nun zu stehen glaubt?
    Und wenn er es doch war?
    Was müssen diese Frauen ihm angetan haben, um so einen Tod verdient zu haben? Oder starben sie stellvertretend für eine oder mehrere andere, die ihm früher das Leben zur Qual gemacht haben? Eine kaltherzige Mutter, eine lieblose Ehefrau?
    Von allein wird doch so ein Mann nicht zu einem gnadenlosen Mörder! Nie und nimmer!
     
     
Tagebuch Evelyn Knabe, 10. August
     
    Es war nur eine flüchtige Berührung! Bestimmt nur ein Versehen. Er strich über meinen Arm, als er sich bückte, um mir einen Zettel aufzuheben, der mir aus der Hosentasche gefallen war. Es war nur ein belangsloser Einkaufszettel. Aber die Berührung fühlte sich an wie ein elektrischer Schlag. Ich bedankte mich bei ihm und lächelte zurück, als er mich anstrahlte. Er meinte, es sei gut für ihn, dass hier auch Menschen arbeiteten, die Sonne in seinen eintönigen Alltag bringen. Ich und jemandem Sonne bringen – ha, dass ich nicht lache!
    Ich habe zufällig gehört, wie er sich mit einem anderen Häftling über mich unterhalten hat. Er meinte, es sei schon erstaunlich, dass auch so richtig nette Menschen im Vollzug arbeiteten und nicht immer nur so verbiesterte, vom Leben enttäuschte Beamte. Besonders diese Neue, die Frau Knabe, sei nett. Er konnte nicht wissen, dass ich seine Worte gehört hatte, denn ich stand ganz zufällig an der Treppe, weil ich einen anderen Häftling zu einem Arztbesuch bringen sollte. Es ist bestimmt das erste Mal seit vielen Jahren, dass jemand was Freundliches über mich gesagt hat!
    Später, als ich ihn zum Sport brachte, meinte er zu mir: »Der Mann war es nicht wert.«
    »Welcher?«, fragte ich zurück und er antwortete: »Ihrer. Er hatte Sie nicht verdient und er hatte kein Recht dazu, Ihnen so wehzutun!«
    Den ganzen Abend mache ich mir schon Gedanken, woher er von Gerd wissen kann. Er kennt mich doch gar nicht … Und doch denkt er, Gerd habe mich nicht verdient gehabt – warum?
    Und woher weiß er, dass Gerd mich so verletzt hat?
    Was für ein unglaubliches

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