Menschenfänger
schon den wahren Täter geständig und gut verschnürt dem Antrag beiheften! Als Anlage sozusagen.
Daran wird unsere Liebe nicht zerbrechen, da bin ich mir ganz sicher. Wenn wir wirklich alle Möglichkeiten durchdacht haben und es keine Hoffnung mehr gibt, werden wir uns als Paar zu erkennen geben und ganz offiziell heiraten. Dann haben wir sogar Anspruch auf private Zeiten!
Aber zunächst werden wir weiter andere Wege testen. Wir könnten zum Beispiel einen Privatdetektiv beauftragen. Bei der nächsten günstigen Gelegenheit werden wir das besprechen.
Ich liebe ihn und er mich!
Da er unschuldig ist, werde ich auch einen Weg finden, das zu beweisen, und dann steht unserem Glück nichts mehr im Wege!
Tagebuch Evelyn Knabe, 31. August
Klaus will von der Idee mit dem Privatdetektiv nichts wissen.
Er meint, die kassieren bloß das hohe Honorar und der Kunde hat keine realistische Möglichkeit, die Qualität der Arbeit zu überprüfen. Klaus ist so klug. Ich hatte mir das noch nie vorher überlegt, aber Klaus hat natürlich recht. Der Kunde zahlt den Tagessatz und weiß letztlich nicht, was der Detektiv den ganzen Tag über wirklich treibt. Recherche? Oder schreibt er nur das ›Blaue vom Himmel‹ auf? Im Zweifelsfall könnte jemand wie ich nie nachprüfen, ob er nicht während der angeblichen Ermittlungszeit in der Kneipe rumgesessen und sich ins Fäustchen gelacht hat.
Klaus meint, es hätte nur Sinn, wenn er selbst den wahren Mörder findet und überführt. Schließlich weiß er ja auch ganz genau, wie der ausgesehen hat.
Aber das geht ja leider nicht! Ach, wenn Klaus doch nur raus käme! Dann würde er all diesen Zweiflern den wahren Täter präsentieren, man würde sich bei ihm entschuldigen und ihn voll rehabilitieren, ihm einen Job aufdrängen – und wir könnten endlich ganze Tage, ganze Nächte, Wochen, Monate, Jahre zusammensein!
Ach Evelyn, du träumst!
Tagebuch Evelyn Knabe, 6. September
Klaus möchte fliehen!
Er sagt, er hält es nicht länger aus. Er möchte endlich richtig mit mir zusammensein, er kann nicht länger sinnlos die Zeit im Gefängnis absitzen und der andere läuft derweil frei draußen rum. Eher bringt er sich um!
Das darf nicht passieren – wenn ich ihn verliere, hat mein Leben auch keinen Sinn mehr!
Wenn er wirklich entschlossen ist, werde ich ihm natürlich helfen, wo ich kann. Vielleicht ist es wahr und es wird nur so für uns eine Zukunft geben. Klaus hat schon alles geplant und mir erklärt, was ich für ihn besorgen muss, damit sein Plan gelingen kann. Ich sehe ja, wie verzweifelt er ist, und weiß, dass er es tun muss, sonst wird er sterben. Er will wenigstens versuchen, für uns ein normales Leben möglich zu machen.
Hoffentlich geht alles gut!
Ich habe solche Angst!
Was, wenn er entdeckt wird? Wird er womöglich auf der Flucht erschossen? Sie halten ihn doch alle für ausgesprochen gefährlich!
Damit kein Verdacht auf mich fällt, werde ich Urlaub nehmen. Der Termin für seine Flucht steht fest, es wird am Ende meiner Ferien sein. So wird wohl niemand auf die Idee kommen, ich hätte etwas damit zu tun. Sobald er kann, wird er sich bei mir melden, und er will mit mir über unterschiedliche ›Kanäle‹ Kontakt halten, damit ich mir keine Sorgen machen muss. Geplant ist, dass er zu mir kommt und wir unsere erste gemeinsame Nacht genießen können! Da niemand von uns weiß, gibt es keinen Grund, einen entflohenen Straftäter bei mir in der Wohnung zu vermuten. Für diese Premiere habe ich mir ein verführerisches Negligé gekauft – man muss mir ja nicht unbedingt ansehen, dass ich keine 20 mehr bin. Ich bin so unendlich aufgeregt!
Tagebuch Evelyn Knabe, 19. September
Klaus hat seine Vorbereitungen abgeschlossen.
In zwei Wochen wird er einfach so zur Tür rausspazieren und frei sein! Mit ein bisschen Glück werden sie erst viel später bemerken, dass er nicht mehr in seiner Zelle ist!
Mir ist, als könne ich die Stimme meiner Mutter hören, die zetert, ich sei doch völlig übergeschnappt, einem Mörder die Flucht zu ermöglichen, das sei das Ende in meinem Job, eine gröbere Dienstverletzung kaum vorstellbar! Das ist mir alles egal. Ab Montag habe ich Urlaub. Früher hätte ich mit der vielen freien Zeit nichts anzufangen gewusst, aber diesmal ist alles anders.
Endlich hält das Leben auch ein paar Krümel Glück für mich bereit – und ich kann es kaum erwarten, sie alle einzusammeln!
Tagebuch Evelyn Knabe, 7.
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