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Menschenfänger

Menschenfänger

Titel: Menschenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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nach der schlaflosen Nacht und der traurigen Beerdigung, griff er nach dem Hörer.
    »Nachtigall!«
    »Wir haben ein weiteres Opfer.«
    »Wo?«
    »Berliner Straße. Alexandra Legner. Sieht aus, als wäre es derselbe Täter gewesen.«
    Nachtigall fluchte herzhaft.
    Wenige Minuten später waren sie zu dritt auf dem Weg zum Tatort.
    Über die Sielower Landstraße und die Karl-Marx-Straße erreichten sie die Abzweigung an der Stadtbibliothek. Sie bogen rechts ab und folgten der Straße mehrere 100 Meter. Vor einem der langgezogenen Wohnblocks stand ein Streifenwagen mit Blaulicht, ein Rettungswagen und eine dunkle Limousine warteten ebenfalls in der Nähe.
    »Ich werde gleich mal bei den Nachbarn nachfragen«, erbot sich Albrecht Skorubski, der den Mordopfern lieber aus dem Weg ging.
    »Alexandra Legner. Den Angaben des Vaters nach Kassiererin im Penny-Markt. Er kam vorbei, weil sie sich nicht meldete. Offenbar telefonieren sie jeden Abend miteinander, und wenn sie ausgeht, sagt sie vorher Bescheid. Er hat unzählige Male hier angerufen, und als heute früh auch niemand ranging, beschloss er, nach dem Rechten zu sehen. So fand er das, was von seiner Tochter noch übrig ist«, informierte sie ein Mitarbeiter des Erkennungsdienstes.
    Peter Nachtigall sah den jungen Kollegen an. Er schätzte ihn auf Mitte 20. Vielleicht war es sein erster Mordfall – und dann gleich so ein Anblick. Der junge Mann starrte blass und voller Zorn in Richtung Schlafzimmer.
    »Liegt sie dort?«
    »Ja. Im Schlafzimmer! So ein widerliches Schwein!«
    »Wir werden uns alle darum bemühen, ihn so schnell wie möglich zu fassen! Auch Sie leisten Ihren Beitrag dazu! Wo ist denn der Vater jetzt?«
    »Sitzt in der Küche. Ich habe ihm einen Tee gemacht, nachdem wir dort drinnen fertig waren.«
    »Gute Idee. Bleiben Sie bei ihm – ich komme gleich.«
    Damit ließ er den Kollegen stehen und folgte Michael Wiener bis ins Schlafzimmer.
    Der Raum war schnörkellos eingerichtet. Helle Kiefernmöbel, weiße Wände, ein Flickenteppich vor dem Bett, ein Robbie-Williams-Plakat pinnte an der Wand, vor dem Fenster hing ein weißes Raffrollo.
    Auf dem Bett lag die junge Frau, ausgestreckt auf dem Rücken, an Händen und Füßen gefesselt. Ein breiter Streifen Klebeband verschloss ihr den Mund. Diesmal hatte der Täter es nicht nach der Tat entfernt. Alexandra Legners blaue Augen starrten in die Ewigkeit. Die blonden Haare umrahmten als Kranz den kahlgeschorenen Schädel. Augenbrauen und Wimpern fehlten, wie bei Johanna Merkowski. Der Täter hatte seinem Opfer ein Messer durch den linken Oberschenkel gestochen, fast wie ein überdimensioniertes Piercing. Die weiße Bettdecke war von Blut durchtränkt, und obwohl die Spurensicherung bereits die Fenster geöffnet hatte, hing der schwere metallische Geruch noch immer im Raum fest.
    Voller Entsetzen starrte Nachtigall auf den Körper der Frau, die so qualvoll hatte sterben müssen. Wie schrecklich für den Vater, seine Tochter so zu finden. Gedanken an Jule drängten sich uneingeladen auf – Erinnerungen daran, dass auch sie beinahe Opfer eines Serientäters geworden wäre, der in Cottbus gemordet und verstümmelt hatte.
    Er schalt sich einen Esel. Es wurde Zeit, damit abzuschließen.
    Michael Wiener öffnete die Tür des schmalen Schranks und fand zwei Jeans, zwei Röcke und ein Sommerkleid. Im Wäschefach sauber gestapelte T-Shirts und einige wärmere Pullover.
    »Nach Überfluss sieht das hier nicht aus. Selbst meine sparsame Marnie hat mehr in ihrem Schrank.« Michael Wiener hatte seine Stimme gesenkt.
    »Es gibt keine Hinweise darauf, dass der Täter etwas mitgenommen hat. Nur der Wohnungsschlüssel fehlt«, informierte ihn ein Kollege im weißen Schutzanzug.
    »Tödlich war der Stich ins Herz. Er hat das Messer bis zum Griff in ihre Brust gestoßen und es dort belassen. Alle anderen Verletzungen hat er ihr wohl vor ihrem Tod beigebracht.«
    Beigebracht, hallte es in Peter Nachtigall nach, und er empfand es als unpassend – als ob man beim Sterben etwas lernen würde. Doch dann dachte er, Alexandra hatte wirklich alles über die Hölle und den Teufel erfahren, was es zu wissen gab.
    Dr. Beil reichte ihm den Totenschein. Welche Verletzungen wann entstanden sind, findet der Gerichtsmediziner bei der Obduktion heraus. Todeszeitpunkt: Gestern am frühen Abend. Gegen 18, 19 Uhr.«
    Peter Nachtigall nickte abwesend. Er stellte sich ans geöffnete Fenster und sah auf die Straße hinaus. Viele Schüler waren unterwegs,

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