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Menschenfänger

Menschenfänger

Titel: Menschenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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Mütter, die ihre Sprösslinge begleiteten, alte Damen auf dem Weg zum Bäcker – das ganz normale Leben. Und irgendwo zwischen ihnen hielt sich ein brutaler Mörder versteckt, der Frauen so unendlich quälte. Er zog die Schultern hoch, als sei ihm plötzlich kalt geworden. Da unten ahnte noch niemand etwas von seinem neuen Opfer.
    »Wir haben doch eine Warnung über die Medien verbreitet. Wieso nimmt sie sich einen Fremden mit in die Wohnung?«, fragte Michael Wiener verständnislos.
    »Vielleicht war sie einsam, und da kam überraschend einer, der sich für sie interessierte. Du hast doch die Fotos von ihm gesehen. Ein so unschuldiges Gesicht – und riesenhaft ist er auch nicht. Er macht den Frauen keine Angst, ist freundlich, lächelt vielleicht. Da hat sie sich die Chance auf eine neue Bekanntschaft nicht entgehen lassen«, antwortete Nachtigall traurig und warf einen Blick zum Bett hinüber. Es war nicht mehr festzustellen, ob Alexandra gestern noch eine hübsche Frau gewesen war. »Wenn der Fotograf fertig ist, kann sie abgeholt werden – und – Michael, lass bloß Albrecht nicht hier rein!«
    Bevor er den Raum verließ, wies er ihn noch an, bei der Streife vor Hildegard Clemens Haus nachzufragen, ob sie etwas Ungewöhnliches beobachtet hätten. Wiener nickte und zog sein Mobiltelefon aus der Gürteltasche.
     
    Niedergeschlagen machte Peter Nachtigall sich auf den Weg in die Küche.
    Carsten Legner saß am Tisch, und Tränen tropften in seinen unberührten Tee. Das buntkarierte Hemd war am Kragen viel zu weit und ließ seinen Hals dürr und faltig aussehen. Eine überdimensionierte Jacke versteckte einen ausgemergelten Körper. Seine Züge waren eckig, das Gesicht grau und von tiefen Gramfalten durchzogen, als habe er in seinem Leben schon viel Leid ertragen müssen. Die Hände, mit denen er immer wieder durch die ungepflegten weißen Haare fuhr, waren schwielig, die Nägel abgerissen.
    »Es tut mir so leid«, flüsterte Nachtigall und versuchte, eine unstete Hand einzufangen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, wie der junge Kollege auf den Flur hinaus verschwand.
    »Sie war ein liebes Mädel«, schluchzte der Vater, und wieder liefen Tränen über seine Wangen. Als er sie wegwischte, entstand ein schabendes Geräusch.
    »Warum? Sie hat nie jemandem etwas zuleide getan«, wisperte er dann.
    »Wir glauben auch nicht, dass sie sich jemanden zum Feind gemacht hat. Womöglich handelt es sich um den gleichen Täter, der schon vor zwei Tagen eine junge Frau ermordete.«
    »Dann könnte meine Alexandra also noch leben, wenn Sie besser gearbeitet hätten!«
    Für einen Moment kamen Nachtigalls Gedanken aus dem Tritt. So hatte er das noch gar nicht gesehen.
    »Wir fahnden intensiv nach dem Täter, das können Sie mir glauben. Aber es ist uns noch nicht gelungen, ihn zu fassen.«
    Auf dem Gang waren energische Schritte zu hören: Dr. März war gekommen, um sich selbst ein Bild zu machen.
    »Wie soll ich das meiner Frau erklären? Alexandra war unser einziges Kind, sie war das Licht in unserem Leben.« Er stockte, schluchzte erneut auf und meinte plötzlich: »Sie kann sich gar nicht mehr daran erinnern, dass Alexandra ihre Tochter ist. Wie soll sie begreifen, was sie verloren hat, wenn sie nicht einmal mehr weiß, dass sie es besessen hat? Wenn ich sterbe, wird auch alle Erinnerung an meine wunderbare Tochter ausgelöscht sein.«
    »Alzheimer?«
    »Sein fünf Jahren. Sie ist in einem Pflegeheim. Alexandra hat sich an den Kosten für ihre Unterbringung beteiligt, sonst wäre es gar nicht möglich gewesen, all das zu finanzieren, was sie so braucht. Ich weiß gar nicht, wie es jetzt weitergehen soll! Wer soll denn mit mir trauern, wenn ihre Mutter weder von mir noch von ihr weiß? Nun bin ich völlig allein!«
    Peter Nachtigall wartete, bis der Mann sich wieder beruhigt hatte.
    »War Ihre Tochter vertrauensselig?«
    Der Vater sah ihn verständnislos an.
    »Es gibt keine Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen des Täters. Sie muss ihn wohl selbst hereingelassen haben.«
    »Nein. Bestimmt nicht. Das muss ein Irrtum sein. Alexandra hat – hatte – nicht viele Freunde oder Bekannte. Die kamen so gut wie nie hierher. Alexandra findet – fand – ihre Wohnung zu ärmlich eingerichtet. Wenn überhaupt, dann traf sie sich mit einer Freundin im Café. Das ist nicht so teuer.«
    »Und wenn überraschend jemand vorbei kam?«
    »Dann ging sie nicht an die Tür. Sie – war – abends meist sehr müde und sehnte sich nach Ruhe.

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