Menschenfänger
versteckt, und sie waren nicht in der Lage, ihm zu entlocken, wo. Benno Brusching verdiente sein Mitleid – nicht sein Misstrauen!
Doch all das half ihm nicht weiter. Wenn er nur wüsste, warum er überhaupt zweifelte!
Gut, Benno Brusching war aufbrausend. Aber wie würde er denn reagieren, wenn jemand Conny entführt hätte? Oder Sabine? Als Jule damals in die Hände … Sofort verbot er sich jeden weiteren Gedanken an diesen düsteren Fall.
Nur einmal war er sich bisher in seinem beruflichen Leben so unendlich hilflos vorgekommen. Und nun war es wieder soweit.
Der schon inhaftierte Täter war unter den Augen der Polizei entflohen und hatte gemordet, ohne dass es ihnen möglich war, ihn daran zu hindern. Und nun würde es ein weiteres Opfer geben, weil sie nicht in der Lage waren, dem Entführer sein Geheimnis zu entlocken.
Die Presse, die sich bisher noch mit ihren Attacken gegen ihn und sein Team zurückgehalten hatte, würde über sie herfallen – und sie konnten nichts tun!
Er konnte dem Unternehmer seine heftige Reaktion auf die Misserfolge der Polizei im Grunde nicht verdenken. Unsympathisch hin oder her. Das war hier kein Kriterium!
Hoffentlich führte die neue Strategie zum Erfolg. Wenn nicht – daran mochte er gar nicht denken.
Es klopfte, und Michael Wiener schob sich hinein.
»Ich hab jetzt mal die Finanze von de Bruschings gecheckt. Also, des Unternehme g’hört ihm. Das Haus, Grundstück, Auto g’hört seiner Frau. Mit der Firma erarbeitet er einen ganz hübschen Umsatz, doch den tolle Lebensstil, den ermöglicht ihr Geld. Alles ererbter Reichtum. Wenn wir den Täter nicht scho hätte, könnt man hier au ein richtig guts Motiv finde.«
»Lebensversicherung? Testament?«
»Kann ich no nichts sage. Aber ich denk, solche Leut reg’le ihre Angelegeheite frühzeitig und umfassend. Die lasse nichts drauf ankomme.«
»Gut. Hoffen wir, dass Emile mit seiner Strategie mehr Erfolg hat als wir.«
»Ich hab jetzt noch ein Gespräch mit Frankas Eltern. Weißt du, sonst sind die Opfer immer fremd, trotz all der Informationen, die wir über sie sammle. Aber des isch jetzt das erschte Mal, dass ich das Opfer g’kannt hab. Wenn ich ehrlich bin, hab ich erscht dadurch kapiert, wie verletzbar wir alle sin. Sonscht denksch ja immer, so was passiert dir nicht, das passiert immer nur de andere, und plötzlich bist du mitte drin. Kann ich Marnie zu dem G’spräch mitnehme?«
»Ja. Michael – vielleicht ist diese Erkenntnis ein Gewinn für unsere Arbeit. Emotional. Weil du dich dann besser einfühlen kannst, wenn dir klar ist, was die Eltern oder Freunde eines Opfers durchleben.«
Michael Wiener nickte und zog die Tür hinter sich zu. Typisch Peter Nachtigall, dachte er, emotionale Beteiligung bereichert das Repertoire eines guten Ermittlers.
Michael Wiener machte sich auf den Weg.
Peter Nachtigall hasste es, zur Untätigkeit verdammt zu sein.
Michael war unterwegs, Albrecht noch im ›Gespräch‹ mit Klaus Windisch, Emile bereitete den Ehegatten auf seine Aufgabe vor. Das war sicher keine einfache Sache, einen Choleriker wie Brusching darauf vorzubereiten, mit der offen zur Schau gestellten Zufriedenheit und dem unbändigen Stolz Windischs auf seine Taten umzugehen. Besonders, weil jede Minute länger in diesem Versteck seine Frau umbringen konnte. Emile brauchte sicher viel Geduld bei den Instruktionen.
Der Hauptkommissar rief die Internetsuchmaschine auf und gab in die Suchmaske beiläufig ›Paula Brusching‹ ein. Nur fünf Treffer, teilte ihm der Informationsdienst mit. Alles Berichte der Presse über eine Charity-Veranstaltung zum Thema Organspende. Das war naturgemäß für sie eine Herzensangelegenheit gewesen. Er fuhr erschrocken zusammen. Du denkst schon über sie, als sei sie gestorben. Hast du denn wirklich schon jede Hoffnung aufgegeben, sie noch retten zu können? Wie willst du sie dann finden!, wies er sich zurecht.
Er blätterte in der Akte, die Michael Wiener über die Bruschings angelegt hatte, und stieß dort auf den Mädchennamen der Verschwundenen. Paula Maria Kämmerer. Er tippte ihn in die Suchmaske ein. Die Liste der Treffer war schier endlos.
Nachtigall scrollte sich durch die ersten beiden Seiten und erfuhr von einem sehr guten Abitur und einem Studium der Wirtschaftswissenschaften. Der Doktortitel, von dem er noch gar nichts gewusst hatte, war in den USA erworben, das Büro in Cottbus erst nach der Hochzeit mit Brusching gegründet worden. Wahrscheinlich hatte sie
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