Menschenfänger
angrenzendes Büro, um sich instruieren zu lassen.
Peter Nachtigall hatte nach dem letzten erfolglosen Versuch, Windisch davon zu überzeugen, dass es das Klügste wäre, ihnen zu verraten, wo Paula Brusching versteckt war, mit Emile Couvier über eine andere Taktik nachgedacht. Den Ehemann als Trumpf einzusetzen, erschien dem Psychologen zumindest einen Versuch wert.
So könnte der Triumph eventuell vorgezogen werden. Windisch erhielte die Gelegenheit, sich im Leid des verzweifelten Ehemannes zu sonnen, könnte in einer großen Geste als Überlegener sein Geheimnis preisgeben. Dann käme es ihm im günstigsten Fall auf den ›echten‹ tödlichen Sieg gar nicht mehr an.
Entscheidend wäre, dass Brusching den Entführer diesen Triumph auch wirklich spüren lassen konnte. Es musste für Windisch ein ähnlich berauschendes Gefühl erzeugt werden wie dieses Allmachtsempfinden beim Todesstoß. Nachtigall rieb seine kalten Hände auf dem Oberschenkel, um sie zu wärmen. Er gab sich keinen Illusionen hin: Die Sache konnte mit der gleich großen Wahrscheinlichkeit auch nach hinten losgehen. Windisch war nicht auf eine Zusammenarbeit mit ihnen angewiesen, er wusste, was ihn erwartete, und wenn er wollte, konnte er seinen Triumph auch in der Verweigerung der Information und der noch größeren Verzweiflung des Ehemannes finden.
Das gesteckte Ziel geschickt zu erreichen, war nun Emiles Aufgabe, dachte er müde. Selbst Dr. März hatte dem Vorhaben zugestimmt. Parallel wurde das Verhör mit Windisch fortgesetzt. Albrecht war jetzt dran, danach wieder Nachtigall und zum Schluss Michael Wiener. Sie hatten alle ihre Möglichkeiten ausgeschöpft.
Die Zeit arbeitete gegen sie.
»Michael, check doch bitte mal die Vermögensverhältnisse der Bruschings.«
»Wieso? Glaubst du, er kann kein Lösegeld zahlen?«
»Bisher haben wir noch nicht einmal jemanden, der welches haben möchte. Ich möchte nur nichts versäumen.«
»Aber ist nicht der Brusching selbst auch Opfer?«, fragte der junge Mann und begann, seine Computertastatur zu bearbeiten.
»Tja, wenn ich das so ganz einfach mit ja beantworten könnte, wäre mir auch wohler!«, antwortete Nachtigall trocken.
Es klopfte, und ein gut gekleideter Herr schob sich etwas zögerlich ins Büro.
Er mochte um die 30 sein, schlank, sportlich, die dunkelblonden Haare ordentlich geföhnt. Insgesamt eine sehr gepflegte Erscheinung.
»Entschuldigung – ich suche einen Hauptkommissar Peter Nachtigall.«
»Da sind Sie bei mir an der richtigen Stelle.« Nachtigall begrüßte den Besucher mit einem kräftigen Händedruck. »Was kann ich denn für Sie tun?«
Unsicher sah der Fremde ihn an und lächelte dann schief. »Ich bin herbestellt worden. Mein Name ist Martin Lukas.«
Ein Mann!
M. Lukas war ein Mann! Nachtigall war wie vom Donner gerührt. Das hatte er nicht erwartet. Bemüht, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen, geleitete er den jungen Mann in sein Büro, bot ihm einen Platz an und schob sich selbst hinter seinen Schreibtisch.
»Sie wissen bestimmt schon, dass Frau Brusching entführt wurde.«
»Ja. Eine schreckliche Geschichte.«
»Wir überprüfen in einem solchen Fall routinemäßig die Alibis der Menschen aus dem Umfeld des Opfers. Sie sind mit Herrn Brusching befreundet?«
»Befreundet? Vielleicht kann man das auch so nennen, ja«, murmelte Herr Lukas und wischte ein imaginäres Stäubchen von der Hose.
»Wie würden Sie es denn lieber nennen?«
»Befreundet ist schon in Ordnung. Alibi, sagten Sie? Braucht er denn ein Alibi?«
»Wir versuchen gerade, seinen Tagesablauf zu rekonstruieren. Können Sie uns dabei behilflich sein?«
»Tja – er kam gegen 15:30 Uhr zu mir. Er brachte eine Flasche Sekt mit, um mit mir auf einen Abschluss anzustoßen. Wir diskutierten über einige Dinge aus der Tagespolitik und gegen 18 Uhr brach er auf. Paula hatte am Nachmittag über Migräne geklagt, und er wollte nicht zu spät nach Hause kommen und nach dem Rechten sehen. Für ihn muss diese Entführung unerträglich sein, er vergöttert seine Paula geradezu. Sie ist seine große Liebe, müssen Sie wissen.« Martin Lukas strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und sah den Hauptkommissar abwartend an.
»Kennen Sie denn auch Frau Brusching?«
»Nun ja, nicht persönlich. Benno spricht manchmal über sie.«
»Wie oft treffen Sie sich in der Regel?«
»Einmal in der Woche mindestens, meist zweimal. Seit seine Frau krank war, na ja, sie war an seinen Problemen und
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