Menschenfresser - Gargoyle - Posters Haus
gleich, ob er sie teilweise oder gar nicht sehen konnte, ihr Auftauchen würde ihn hoffentlich verwirren. Er würde Sekunden brauchen, um einzuordnen, was diese Frau, die keinen rechten Eindruck in seinem Hirn hinterließ, war oder nicht war. Diese Zeit würde Georg nutzen.
Und so war es auch.
Der Menschenfresser trug schwarze Kleidung, einen langen Mantel und einen großen Schlapphut. Er hielt den Kopf gesenkt, doch es fiel genügend Licht auf ihn, um erkennen zu lassen, dass er ein normaler Mensch war. Er versuchte sich hinter dem Schreibtisch zu verschanzen, doch Georg stieß sich ab, rollte über die Tischplatte und schleuderte den Fremden gegen die Wand. Der Menschenfresser brüllte auf, als sich der Riegel des Fensters in seine Schulter bohrte. Er ließ sich fallen, versuchte zu entkommen, aber das gestatte Georg nicht. Blitzschnell war er über ihm, riss ihn am Mantelkragen hoch und platzierte einen Schlag auf sein Kinn.
Der Körper wurde schlaff, der Hut fiel herab, und sie blickten in ein dunkles, wenig markantes Gesicht, das sie nie gesehen hatten. Der Menschenfresser war nicht mehr der Jüngste. Vermutlich hatte er die Sechzig schon überschritten. Georg wuchtete den Mann, der annähernd seine Größe hatte, auf den Schreibtisch. Dort lag er schlaff wie eine riesige Puppe.
„Das ging glatt“, schnaufte er. „Warten wir, bis unser Freund die Augen aufmacht.“
„Das dauert mir zu lange.“ Jaqueline griff unter seinen Mantel, fand die Innentasche und zog ein nutzloses Stück Papier heraus. In der Westentasche wurde sie schließlich fündig. Sein Ausweis lautete auf den Namen Thilo Birk. Er war 1938 geboren.
„Von Namen und Geburtsdatum ausgehend würde ich sagen, wir haben den Sohn von Frau Birk vor uns“, meinte Jaqueline. „Interessant.“
„Er hat etwas gesucht“, teilte Dorothea ihnen mit. „Er tastete im Dunkeln die Wände ab.“
„Ein Geheimversteck? Dann hat seine Mutter hier also wirklich Geld verborgen.“
Georg holte einen nassen Lappen aus dem Bad und half Thilo Birk, den Weg aus dem Reich der Träume in die Welt der Wachen zu finden. Er behielt eine Hand auf der Brust des Mannes und ließ nicht zu, dass er sich aufrichtete.
„Wer sind Sie?“, krächzte Birk.
„Sie sind der Menschenfresser“, ignorierte Jaqueline seine Frage. „Oder Thilo Birk. Welches von beiden ist die Wahrheit?“
„Ich habe niemanden gefressen. Das ist hirnverbranntes Gerede.“ Er versuchte sich aufzurichten, sah dann ein, dass es nicht ging, und gab es auf. Georg stand neben ihm, so dass der Mann mit den Füßen nicht nach ihm treten konnte.
„Erklären Sie uns die Zusammenhänge“, forderte Jaqueline. „Sehen Sie es als Übung an. Später werden Sie es der Polizei erzählen.“
„Was wollen Sie mit der Polizei? Ich habe niemanden getötet und auch sonst nichts Ungesetzliches getan“, beharrte Birk.
„Sie sind immerhin in unsere Wohnung eingedrungen.“
„Es ist noch nicht Ihre Wohnung“, keuchte er. Georgs Hand übte Druck auf seinen Brustkasten aus. „Der Mietvertrag, den Sie unterschrieben haben, ist erst ab nächste Woche gültig. Das steht im Kleingedruckten. Bis dahin kann ich hier ein und aus gehen, so oft ich will, ohne irgendein Gesetz zu brechen.“
Jaqueline zögerte. Mit einer solchen Antwort hatte sie nicht gerechnet. „Aber … unsere Sachen sind schon hier.“
„Ihre Sachen interessieren mich nicht.“
„Was suchen Sie?“
„Das geht Sie nichts an.“
Georg verstärkte den Druck auf den Brustkorb des Mannes. Dieser schrie auf. „Verdammt, Sie sind es, den die Polizei bald verhören wird!“
„Erzählen Sie uns Ihre Geschichte“, blieb Georg hartnäckig.
Thilo Birk verzog das Gesicht. „Lassen Sie mich erst aufstehen“, verlangte er.
„Keine Chance“, zischte Georg.
Birk schüttelte den Kopf und lachte, als halte er Georg für übergeschnappt. „Von mir aus. Meine Mutter hat einmal hier gelebt. Rosa Birk. Vor zehn Jahren ist sie verstorben.“
„Das wissen wir“, sagte Jaqueline. „Uns sie hat einen Schatz hier versteckt, nicht wahr?“
„Einen Schatz? Ihr gesamtes Erspartes in bar – ich schätze, dass es über 200.000 DM sind. Es ist mein Geld. Ich bin der einzige Erbe. Steht es mir nicht zu, es zu finden? Meine Mutter war ein misstrauischer Mensch. Sie traute der Bank nicht.“
„Und wahrscheinlich traute sie auch Ihnen nicht. Sonst hätte sie Ihnen das Versteck doch verraten.“
„Sie wollte es mir sagen. Aber dann starb sie
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