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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Die Erkenntnis war da gewesen, aber ihm hatten die nötigen Werkzeuge gefehlt, sie zu finden. Er gehörte zum Meer. Auch er gehörte zum Meer. Vielleicht war es schon lange so gewesen.
    »Es ist etwas passiert«, sagte Anna-Greta. »Die Sache, wegen der wir uns heute getroffen haben. Die Sache mit Sigrid. Soweit wir wissen, ist es noch nie vorgekommen, dass jemand … zurückgekehrt ist.«
    »Aber sie war doch tot.«
    »Sicher, aber trotzdem. Es ist noch nie vorgekommen.«
    »Und was hat das zu bedeuten?«
    »Darüber haben wir gerade diskutiert. Als wir unterbrochen wurden.«
    Simon gähnte. Er versuchte, eine der zahlreichen Fragen zu formulieren, die sich wie träge Serpentinen durch seinen müden Kopf schlängelten, aber ehe es ihm gelang, sagte Anna-Greta: »Ich möchte dich auch etwas fragen.«
    »Aha?«
    Simon gähnte erneut, konnte nicht mehr damit aufhören. Er wedelte mit der Hand vor seinem Mund, um anzuzeigen, dass er mit dieser Gähnerei gerne aufgehört hätte, wenn er es nur gekonnt hätte.
    Anna-Greta zog die Beine auf die Couch und schlang die Arme um sie. Simon blinzelte, staunte über ihre Gelenkigkeit und Geschmeidigkeit, wenn sie so ihre kleine, private Festung um sich errichtete. Es war bestimmt fünfzehn Jahre her, dass er zu so etwas fähig gewesen war, wenn nicht noch länger.
    Sie lehnte das Kinn auf die Knie und sah ihn eindringlich an. Dann fragte sie: »Willst du mich heiraten?«
    Wider alle Erwartung wurde Simon von einem weiteren langen Gähnen übermannt, das den Blickkontakt zwischen ihnen beendete. Er hielt die Hände hoch, wie um zu sagen Nicht noch mehr, nicht noch mehr , und erklärte: » Da . Ist die Grenze dafür erreicht worden, was ich an einem Tag verdauen kann. Darüber . Müssen wir uns morgen unterhalten.«
    Was siehst du da?
    Anders erwachte zu einem ungewohnten Duft, zu ungewohnten Geräuschen. Es roch nach Kaffee, und die Geräusche wurden von jemandem erzeugt, der sich in der Küche bewegte und Schubladen aufzog, Schränke öffnete. Er blieb noch einen Moment im Bett liegen und tat, als wäre alles ganz normal. Er stellte sich vor, dass die Person, die Kaffee aufgesetzt hatte und in der Küche räumte, jemand war, den er liebte und mit dem er zusammen sein wollte. Dass dies einer von vielen Morgen in einem guten Leben war. Er faltete die Hände auf dem Bauch und sah aus dem Fenster. Ein bewölkter Himmel mit blauen Flecken, ein schöner und wahrscheinlich ziemlich kalter Tag Mitte Oktober. Der Kaffeeduft lockte, in der Küche klirrte Porzellan.
    Cecilia macht Frühstück. Maja spielt am Küchentisch mit irgendetwas. Ich liege hier, wach und ausgeruht in … Majas Bett …
    Seine Fantasie wurde an den Rändern angenagt. Der Schmutz in seinem Körper nach einem weiteren Abend mit Alkohol und Zigaretten drängte sich auf. Er betrachtete seine Finger. Sie waren schwach gelblich verfärbt, unter den Fingernägeln saßen Trauerränder, und sie rochen nach Tabak. Es klebte in seinem Mund, und er lehnte sich über die Bettkante und fand eine Plastikflasche, die zu einem Drittel mit verdünntem Wein gefüllt war. Er griff nach ihr und trank, gönnte sich einen Schluck gegen den Nachdurst.
    So. Zurück zur Wirklichkeit.
    Die Erregung vom Vorabend hatte sich gelegt. Was Elin über Henriks und Björns Verschwinden erzählt hatte, war ihm vor ein paar Stunden fiebrig verheißungsvoll erschienen, aber jetzt, im kalten Licht des Morgens, sah er, dass es nicht so sein musste. Es waren zwei Vorfälle. Es musste keine Verbindung zwischen ihnen geben, und selbst wenn es eine gab, was konnte er tun? Nichts.
    Er wälzte sich aus dem Bett. Der Fußboden war eisig unter seinen nackten Füßen, und er zog kalte Strümpfe und ein kaltes T-Shirt an. Kopfschmerzen begannen in seinen Schläfen zu pulsieren. Er zwängte sich in die Jeans und ging in die Küche.
    Elin stellte gerade Käse und Brot auf den Tisch. Sie blickte auf und sagte: »Guten Morgen.« Im klaren Vormittagslicht, das zum Küchenfenster hereinfiel, sah sie wirklich grauenhaft aus. Er antwortete mit einem Brummen, holte einen neuen Tetrapakkarton Wein aus der Vorratskammer, öffnete ihn und nahm ein paar große Schlucke. Elin beobachtete ihn. Er beachtete sie nicht weiter. Die Kopfschmerzen wurden stärker, und er kniff die Augen zusammen und massierte seine Schläfen.
    »Du bist ein ziemlicher Alkoholiker, was?«, sagte sie schlicht.
    Anders grinste, als ihm darauf eine Bemerkung herausrutschte, die er von einem Komiker

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