Menschenhafen
abgesoffen war, Treibstoff war aus dem Vergaser gelaufen und hatte sich in einer Pfütze unter dem Benzinfilter gesammelt. Er ergriff alle Maßnahmen, die ihm einfielen, kontrollierte jeden Anschluss und säuberte die Zündkerze. Es wurde schon dunkel, als er das Gehäuse wieder aufsetzte und ruckte, bis er schwitzte, ohne dass sich etwas tat.
Er widerstand dem intensiven Verlangen, den Motor vom Brett zu heben, zum Bootssteg zu tragen und ins Meer zu werfen. Stattdessen hob er das Gehäuse wieder ab, sprühte den Motor resigniert mit Öl ein, brachte das Gehäuse wieder an und ließ ihn einfach stehen.
Größere und kleinere Fragen
Als Simon sich in der Abenddämmerung Anna-Gretas Haus näherte, sah er, dass in der Küche Kerzen brannten. Er hatte ein flaues Gefühl in der Magengegend und war auf einmal nervös. Ein Stück weit war er vorbereitet, denn unter der Jacke trug er seinen besten Pullover. Trotzdem empfand er nun einen feierlichen Ernst und wusste nicht recht, ob er ihm gewachsen sein würde.
Wenn er auf sein Leben zurückblickte, hatte er das Gefühl, gelebt zu haben, ohne eigentlich Entscheidungen getroffen zu haben. Die Dinge hatten sich ergeben, wie sie sich nun einmal ergeben hatten, und er hatte mitgespielt. Das Bündnis mit Spiritus bildete möglicherweise eine Ausnahme, war jedoch von innerer Notwendigkeit diktiert worden. Er hatte nichts anderes tun können.
Oder doch?
Vielleicht war er einfach nie zuvor mit einer solch eindeutigen Frage konfrontiert worden, mit einer so eindeutigen Wahlmöglichkeit wie bei diesem Heiratsantrag. Er hatte durchaus Beschlüsse gefasst, Entscheidungen getroffen, doch es war sozusagen stillschweigend geschehen. Ohne großes Getöse, Kerzen und ein flaues Gefühl im Magen.
Zum Beispiel das Thema Kinder. Anna-Greta und er hatten keine Kinder bekommen können, was wahrscheinlich an ihm lag. Sie hatten es niemals ausdrücklich darauf angelegt, Kinder zu bekommen. Wenn aus ihrer Liebe ein Kind entstanden wäre, hätten sie es wahrscheinlich mit Freude angenommen, aber als keine kamen, ließen sie die Sache auf sich beruhen. Sie ließen keine Untersuchungen durchführen und hatten niemals über Adoption gesprochen.
Es ergab sich einfach nicht.
In dieser Redewendung lag der Kern einer Lebenshaltung, die für viele Menschen auf Domarö typisch war und auch für Simon galt. Eine Art Fatalismus. Die Zusammenkunft im Missionshaus hatte ihm klargemacht, wo die Wurzeln dieses Fatalismus lagen. Dinge geschahen, und dann war es eben so. Oder sie geschahen nicht, und es ergab sich eben nichts. Da war nichts zu machen.
Doch nun war er auf dem Weg zu dem hübsch beleuchteten Haus, um auf eine Frage zu antworten, deren Antwort sich nicht einfach so oder so ergeben konnte. Jetzt hieß es Ja oder Nein, und der feine Pullover scheuerte ein wenig am Hals. Er hätte gern ein Geschenk dabeigehabt, eine Blume, oder wenigstens etwas, das er in den Händen halten konnte.
In der für ihn so typischen Kombination aus städtischem und ländlichem Verhalten klopfte er zunächst an die Tür und öffnete sie dann. Er hängte seine Jacke im Flur auf, fuhr mit dem Zeigefinger unter den Halsausschnitt des Pullovers und ging in die Küche.
Am Herd blieb er stehen. Die Feierlichkeit, die er schon erahnt hatte, herrschte tatsächlich. Der Kandelaber war herausgeholt, eine saubere weiße Decke auf den Tisch gelegt und eine Flasche Wein bereitgestellt worden. Anna-Greta trug ihr blaues Kleid mit dem hohen Hals und den chinesischen Stickereien. Simon hatte es seit mindestens zehn Jahren nicht mehr gesehen, deshalb blieb er stehen.
Da war sie, die Frau, die er …
die Frau, die er …
die Frau.
Sie. Die andere. Du . Und war sie nicht hübsch, war sie nicht schön? Doch, das war sie. Die Kerzen ließen die Seide ihres Kleids schimmern, und der Glanz setzte sich fort in ihrem Gesicht, das nicht so sehr zwanzig Jahre jünger wurde, als vielmehr sein Alter verlor. Es war einfach sie, Anna-Greta, durch alle Zeiten und äußere Erscheinungen hindurch. Sie.
Simon schluckte und bekam Probleme mit den Händen. Er hätte etwas in ihnen haben sollen, etwas, das er überreichen, eine Geste, die er ausführen konnte. Stattdessen zeigte er vage auf den Tisch, das Zimmer, Anna-Greta und sagte: »Wie … schön du alles gemacht hast.«
Anna-Greta zuckte mit den Schultern und sagte: »Manchmal muss man sich schon ein bisschen ins Zeug legen«, und die abendmahlähnliche Stimmung wurde ein wenig lockerer.
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