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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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vielleicht nicht das richtige Wort war. Es deutete an, dass man etwas verkaufte, das übrig geblieben war, was bei frischen Heringen natürlich nicht so gut passte. Er beschloss, von jetzt an Sonderangebot zu sagen.
    Der Erfolg war nicht so groß, wie er gehofft hatte, als ihm die Idee gekommen war, aber etwa jeder vierte Kund ließ sich dazu verlocken, ein Kilo mehr zu nehmen als sonst. Wahrscheinlich eher, um ihm zu helfen, als um ein Schnäppchen zu machen. Anders glaubte nicht, dass zwei Kronen rauf oder runter für die meisten Erwachsenen einen großen Unterschied machten.
    Allerdings waren es mehr Kunden als sonst, und rechtzeitig zum Elf-Uhr-Boot ging Anders heim und holte eine neue Kiste, weil die alte fast leer war. Mit dem Elf-Uhr-Boot kam ein regelrechter Kundenansturm, und der Fisch reichte gerade so. Es bildete sich eine kleine Schlange vor seiner Kiste, und Anders hörte auf, noch ein paar Fische draufzulegen, und legte in manche Tüten nur achtzehn oder neunzehn Heringe, wenn es Leute waren, die er nicht kannte, weil sie nur für einen Tag auf die Insel kamen.
    Schon gegen zwölf konnte er das nächste Mal heimgehen und die dritte Kiste holen. Das Boot lag am Steg, und sein Vater, der Urlaub hatte, war von der Werft zurückgekehrt, wo er offenbar die vierte Kiste losgeworden war.
    Das sah alles mehr als vielversprechend aus. Selbst wenn der Verkauf etwas ins Stocken geriete, war es nicht unwahrscheinlich, dass es Anders gelingen würde, auch den Inhalt der dritten Kiste abzusetzen. Trotz des Sonderangebots hätte er damit sein Ziel erreicht, und das ferngesteuerte Boot würde schon bald in der Bucht übers Wasser schießen.
    Durch diesen Gedanken gestärkt, brachte er die dritte Kiste zum Laden und stellte fest, dass ein Kunde bereits an seinem Schild wartete. Als es ihm gelang, auch diesem zwei Kilo zu verkaufen, beschloss Anders, dies mit einem Eis zu feiern. Er ging ins Geschäft, kaufte sich ein Birnensplit und nahm erneut auf seiner Bank Platz.
    Er blies ins Papier, damit sich das Eis davon löste, las die lustige Geschichte auf der beigelegten Sammelkarte und lutschte anschließend sein Eis, während er die Boote auf der Förde zählte. Er sah sein eigenes ferngesteuertes mit brüllenden Motoren an ihnen allen vorbeiziehen.
    Er war gerade zum leckersten Teil seines Birnensplits vorgedrungen, wenn die Fruchteishülle langsam auf der Zunge zerschmolz und sich ihr süßerer Geschmack mit dem Vanilleeis darunter vermischte, als sich auf der Straße von Kattudden kommend ein Mann näherte.
    Der Mann hatte seltsame Augen. Als wäre er betrunken. Sein Vater bekam manchmal den gleichen zielstrebigen Gang, wenn er zu viel getrunken hatte, als existiere nichts als das Ziel vor seinen Augen und als ginge es im Leben einzig und allein darum, den Körper an seinen Bestimmungsort zu manövrieren.
    Anders kannte den Mann. Er war der Sohn von jemandem, den Großmutter kannte – möglicherweise hatte er früher auf dem Festland gewohnt und war jetzt wieder auf die Insel gezogen. Anders erinnerte sich nicht. Er war der jähzornige Typ. Einmal hatte er Anders ausgeschimpft, weil ihm dessen Schubkarre vor dem Laden im Weg stand, und seither fragte Anders ihn nie, ob er etwas kaufen wollte.
    Er trug wie viele Inselbewohner einen Blaumann und ein kariertes Hemd. Seine Füße steckten in Holzschuhen, und er marschierte mit entschlossenen Schritten Richtung Schiffsanleger.
    Marschierte. Allerdings. Das war das richtige Wort. Der Mann ging auf eine Art, die keine Einwände duldete. Wenn ihm jemand in den Weg käme, würde er ihn ignorieren oder vielmehr einfach über den Haufen rennen, statt auszuweichen. Das erschien nur konsequent, wenn man bedachte, wie wütend er geworden war, als Anders ihm in die Quere gekommen war.
    Als sich der Mann dem Schiffsanleger näherte, schwenkte er nach rechts zu den Sanddornsträuchern. Anders war so fasziniert von diesem Marsch, dass er sein Birnensplit vergessen hatte und klebriges, geschmolzenes Eis den Stiel hinunter und auf seine Finger lief. Der Mann verschwand hinter den Sanddornsträuchern, und Anders nutzte die Gelegenheit, an seinem Eis zu lecken. Dann tauchte der Mann wieder auf. Er hatte das Ufer erreicht und ging ins Wasser. Er hatte sich nicht einmal die Holzschuhe ausgezogen.
    Erst in diesem Moment fand Anders die Sache irgendwie unheimlich. Der Mann rutschte auf den nassen Steinen aus und fiel hin, stand aber gleich wieder auf und setzte seinen Weg fort. Anders schaute

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