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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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wäre.
    Zahlreiche Menschen standen weiter unten am Hafen und warteten ab, was bei der Suche der Taucher herauskommen würde, als die Kiste leer war und Anders seine Schubkarre ein drittes Mal an diesem Tag nach Hause schob. Als er sich Smäcket näherte, sah er eine Rauchsäule zum Himmel aufsteigen.
    Sein Vater hockte neben dem Räucherofen und füllte ihn mit Wacholderreisig. Die letzte Heringskiste stand neben ihm, aber er hatte noch nicht angefangen, die Fische auf Stöcke zu reihen. Als er Anders sah, wirkte er überrascht.
    »Du bist schon zurück?«
    »Ja«, sagte Anders und hob die Schubkarre an, um die leere Kiste zu zeigen.
    Sein Vater richtete sich auf und sah erst die Kiste und dann Anders an. »Du hast … sechzig Kilo verkauft?«
    »Jepp.«
    »Wie ist das möglich?«
    Anders erzählte von Torgny Ek. Wie er zu Fuß gekommen und hinausgeschwommen war. Von den vielen Menschen, die sich im Hafen versammelt hatten. Seine Stimme wurde immer zögerlicher, je weiter die Geschichte fortschritt, da er merkte, dass sie seinen Vater aus irgendeinem Grund sehr mitnahm. Er hatte sich auf die Bank neben dem Räucherofen gesetzt und blickte zu Boden.
    »Und dann ist der Seenotrettungsdienst gekommen …« Anders’ Stimme verlor sich, und es wurde still. Man hörte nur das Knistern brennender Wacholderzweige im Räucherofen. »Für dreihundertzwanzig Kronen hab ich verkauft. Es ist ein bisschen weniger, weil es ein Sonderangebot gab.«
    Sein Vater nickte schwer. »Das ist doch toll.«
    Anders nahm einen Metallstab und fädelte ein paar Heringe auf. Sein Vater machte eine langsame, abwehrende Bewegung. »Lass gut sein. Ich glaube nicht, dass wir heute räuchern werden.«
    »Warum nicht?«
    »Du hast doch … schon so viel verkauft.«
    Der schwere Kloß im Bauch kehrte zurück, und Anders wurde zur Erde herabgezogen und senkte den angefangenen Stab. »Aber … Bücklinge schmecken doch gut.«
    Sein Vater stand langsam auf und sagte: »Ich habe keine Lust.« Er strengte sich an und verzog die Mundwinkel zu einer Art Lächeln. »Ist doch toll, dass du so viel verkauft hast. Jetzt hast du das Geld für das Boot zusammen. Nimm dir frei.«
    Ohne noch etwas zu sagen, ging er mit hängenden Schultern zum Haus. Anders ließ den Stab in der Hand wippen. Die Heringe hingen durch die Augen aufgefädelt darauf. Die Augen selbst baumelten von dünnen Schleimfäden gehalten neben den Köpfen. Anders schob die Heringe zum Ende des Stabs, zog den Arm nach hinten und ruckte mit dem Handgelenk nach vorn. Die Heringe flogen in einem weiten Bogen davon und landeten in den Sägespänen am Hackklotz.
    Das war das.
    Er wusch sich die Hände in der Regenwassertonne und ging zum Laden zurück. Er wusste nicht, was eigentlich passiert war, aber bei diesem Fischfang war von Beginn an etwas schiefgegangen.
    Außer einer Sache.
    Er spürte das Bündel Geldscheine in seiner rechten Tasche, den Haufen Münzen in seiner linken. Er mochte ein flaues Gefühl im Bauch haben, und vielleicht hätte der Tag in vieler Hinsicht besser laufen können. Aber eines ließ sich jedenfalls nicht leugnen: Es war eine schöne Stange Geld zusammengekommen.

EIDERENTE
    Solange auch nur ein einziges Küken übrig bleibt, scheint die Samtente vollkommen zufrieden zu sein und verhält sich normal. Oft werden jedoch alle ihre Küken schon in der ersten Lebensstunde ausgelöscht. Daraufhin stellt man fest, dass die Entenmutter an einer Neurose erkrankt. Sie dreht sich dort, wo ihre Küken verschwunden sind, im Kreis, kehrt immer wieder dorthin zurück und sucht, tagelang. Außerdem sucht sie den Weg ab, den sie mit den Küken geschwommen ist – als läge ihr Geruch noch auf der Wasseroberfläche.
    STEN RINALDO – ZU DEN ÄUSSEREN SCHÄREN
    Statt Las Vegas
    Simon wurde davon wach, dass auf seiner Oberlippe etwas kitzelte. Im nächsten Moment wurde ihm ein Kuss auf die Stirn gedrückt, und er schlug die Augen auf. Anna-Greta zog ihr Gesicht zurück, die Haarsträhne, die ihn gekitzelt hatte, wurde angehoben.
    Sie saß mit einer Hand auf seiner Hüfte auf der Bettkante. »Guten Morgen«, sagte sie. Simon antwortete mit einem Kopfnicken, und Anna-Greta senkte die Stimme, als könnte jemand hören, was sie sagte. »Wie ist es heute Morgen gelaufen?«
    Als Simon an Land gekommen war, hatte er Anna-Greta nur gesagt, er sei zu müde, um darüber zu sprechen, was sich ereignet hatte, und war anschließend zu sich gegangen und sofort eingeschlafen.
    Nach wie vor wollte er nur

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