Menschenhafen
Eisdecke bildete, konnte jeder, der mochte, nach Kattholmen laufen und so viel Brennholz klein sägen, wie sie oder er haben wollte, Hauptsache, es wurde gerodet.
Es handelte sich allerdings ausschließlich um schwer zu bearbeitende, große Fichten. Sie waren nur mit Mühe klein zu sägen, ließen sich nur unter Schwierigkeiten spalten und lieferten nicht einmal gutes Brennholz. Das Interesse hielt sich folglich in Grenzen. Wäre es um einigermaßen leicht zu zerkleinernde Birkenstämme gegangen, wäre nicht einmal eine Eisdecke erforderlich gewesen. Die Leute wären auch so mit Booten hinausgefahren, um sich möglichst viel unter den Nagel zu reißen, und Kattholmen wäre im Nu gerodet gewesen.
Aber es ging nun einmal um Fichtenstämme, dunkle, düstere Fichtenstämme, die gefällt auf den Felsen lagen und ihre Äste an manchen Stellen wie Hilfe suchende Skelettarme aus dem Wasser streckten, denen keiner beistehen wollte.
Der Mond war es langsam leid und schrumpfte zusammen, balancierte willenlos auf den Spitzen der wenigen Fichten, die noch standen. Wolkenschleier zogen vorüber, und als Anders näher kam, war Kattholmen in ein Licht ohne Glanz getaucht, das an alt gewordenes Aluminium erinnerte. Er fuhr um die nördliche Landzunge herum, an der ein Seezeichen aus Beton eine Fahrrinne ausflaggte, die keiner mehr benutzte, und setzte seinen Weg am Steinufer auf der Ostseite der Insel entlang fort.
Die Fischerhütten standen noch. Es würde Jahrhunderte dauern, ihren Holzstämmen etwas anzuhaben, und kein Baum war auf sie gestürzt. Anders fuhr langsamer und glitt das letzte Stück, schaltete den Motor aus und klappte ihn hoch, damit die Schraube nicht beschädigt wurde. Als der Steven über die Steine am Grund schabte, stieg er ins Wasser, das augenblicklich in die Stiefel leckte. Er zog das Boot an Land, schaltete die Taschenlampe an und richtete ihren Lichtstrahl auf die Fischerhütten.
Es hatte sich nichts verändert. Alles sah noch so aus wie bei seinem letzten Besuch. Die Feuerstelle, von der Glut auf Henriks nackten Rücken getreten worden war, existierte noch. Das Gras, das von Henriks und Björns Körpern flachgepresst worden war, hatte sich dagegen längst wieder aufgerichtet und glitzerte feucht im Licht der Taschenlampe.
Anders schaute zur Tür der Hütte und glaubte fast, hinter ihr die Fanfare, die singende Stimme zu hören: »It’s the final countdown …«, aber man hörte nur das Säuseln des Windes in trockenen Fichtennadeln.
Er machte ein paar Schritte nach links, leuchtete am Haus vorbei – und da stand es. Die Bretter der Ladefläche waren vom Feuer zwar angesengt worden, aber unbeschädigt, und der Deckel des Benzintanks blitzte auf, als Anders mit der Lampe über Henriks und Björns Moped schwenkte. Reifenspuren im Gras führten zum Wasser hinunter.
Hier sind wir also …
Anders setzte sich auf die unterste Treppenstufe und blickte aufs Wasser hinaus. Simons Boot wackelte leicht, als eine Welle gegen das Heck schlug. Das Aluminiumlicht des Mondes machte die Welt eisig und metallisch. Ein trockener Fichtenstamm jammerte hinter seinem Rücken, und er befand sich am Anfang und am Ende von allem. Der ruhende Punkt. Der letzte Countdown.
Zehn, neun, acht, sieben, sechs …
Er zählte ungefähr dreißig Mal rückwärts von zehn bis null, ohne dass etwas geschah, und fuhr fort, auf die Wasserfläche hinauszustarren und auf die beiden zu warten, die den Schlüssel hatten. Die Bescheid wussten und ihm helfen würden, ob sie nun wollten oder nicht.
Er steckte die Hand unter die Jacke und strich mit den Fingern über den glatten Stoff des Schneeanzugs. Der Mond riss sich von den Wipfeln der Fichten los und schaute auf ihn herab. Er fühlte sich nicht wohl in seiner Haut und stand auf, zog den Splint aus der Tür, schob sie auf und leuchtete mit der Taschenlampe hinein.
Seit seinem letzten Besuch waren hier unübersehbar Leute gewesen. Eine neue Generation hatte den Raum übernommen, eine schlampigere Generation. Ein Stuhl war zerbrochen, ein Kartenspiel lag auf dem Boden verstreut. In einer Ecke lag ein Haufen Schnapsflaschen, und es gab weder Matratzen noch Decken in den Betten.
Anders ging zum Tisch und setzte sich auf einen Stuhl, der unter seinem Gewicht wackelte. Durch das kleine Fenster sah er das Lastenmoped neben der Wand stehen. Er bückte sich und begann das Kartenspiel aufzusammeln, wollte eine Patience legen, gab aber auf. Es schienen ohnehin Karten zu fehlen, er sah nur
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