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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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geöffnet worden waren. Hier gab es Blumen im Haar, Akkordeonmusik und pittoreske, feuchtfröhliche Trinkgelage. Wer es sich leisten konnte, kaufte sich ein Sommerhaus. Alle Grundstücke wurden aufgekauft und die Schären entvölkert.
    Und gerade, als sich die schlimmste Hetze gelegt hatte, und die Bewohner der Schären glaubten, endlich aufatmen zu können, kam dann mit Astrid Lindgrens Ferien auf Saltkrokan der vernichtende Schlag. Nun wollten nicht mehr nur die Reichen ein Sommerhaus haben. Makler kauften alles auf, was ihnen in die Finger kam, um kleine Häuschen zu bauen, um sie anschließend zu verkaufen oder wochen- oder monatsweise zu vermieten. Alle wollten in die Schären und den richtigen Schwung haben und eine eigene Robbe finden.
    Die Jugendlichen in den Schären bekamen Kontakt zu ihren sommerlichen Besuchern und begannen sich nach den Vergnügungslokalen und Kinos der Hauptstadt zu sehnen. Häuser und Höfe standen ohne Erben, und schwuppdiwupp waren die Makler da und kauften alles auf, bis die Schären eine Leiche waren, die während zweier Sommermonate zuckte, um anschließend wieder in ihr stilles Grab zurückzusinken.
    Das waren die Kernaussagen von Holgers These, und er beendete seine Ausführungen stets mit verbissenen Fantasievor stellungen dazu, was er gerne mit Evert und Astrid angestellt hätte, wenn sie denn noch leben würden. Es waren schreckliche Dinge, zu denen sowohl Bleigewichte als auch Benzin gehörten, und er duldete keinen Widerspruch.
    Die Schären waren zu Tode verniedlicht worden. Davon war Holger fest überzeugt.
    Anna-Greta
    Eine Mauer aus allmählich gelb werdenden Fliedersträuchern verstellte die Sicht auf Anna-Gretas Haus.
    Oberhalb der Hecke sah man nur die grün angelaufenen Bleche auf dem Dach des Turms. Als Anders klein war, hatte er geglaubt, es wäre ein richtiger Turm wie in Ritterburgen, und war frustriert gewesen, weil er nie den Weg dorthin finden konnte und ihm auch keiner den Weg zeigen wollte.
    Später hatte er dann begriffen, dass das spitz zulaufende Turmdach nur eine Dekoration und die Fensterscheibe am Giebel aufgemalt war. Gut 150 Jahre Vergangenheit schlummerten in den windgepeitschten Holzpaneelen, und der Eindruck eines großen, langsam verfallenden Gebäudes, das in seine eigenen Erinnerungen versunken war, wäre vollendet gewesen, wenn es nicht diese Frau gegeben hätte, die nun ihre Haustür öffnete und im Laufschritt den Gartenweg herabeilte.
    Anna-Greta trug eine Jeans und ein kariertes Hemd. Ihre Füße steckten in Gummistiefeln. Ihre langen weißen Haare waren zu einem Zopf geflochten, der gegen ihren Rücken schlug, als sie zu Anders hastete und ihn in ihre Arme schloss.
    »Mein Junge!« Sie umarmte ihn, sie schüttelte ihn. »Menschenskind, Junge!«
    Sie umarmte ihn so fest, dass Anders einen Moment glaubte, sie würde ihn hochheben, wie sie es immer getan hatte, als er noch klein war. Er wagte es nicht, ihre Umarmung mit der gleichen Stärke zu erwidern – immerhin war sie zweiundachtzig –, weshalb er ihr nur über den Rücken strich und »Hallo, Großmutter« sagte.
    Anna-Greta ließ ihn abrupt los und musterte anschließend fünf Sekunden sein Gesicht. Erst danach schien sie Simon zu bemerken. Sie legte den Kopf schief. Simon lehnte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Anna-Greta nickte, als hätte er sich korrekt verhalten, und nahm Anders’ Hand.
    »Komm. Der Kaffee ist fertig.«
    Sie zog Anders zum Haus, und Simon trottete hinterher. Es war nicht so, dass sich sein Gang verändert hätte, aber neben Anna-Greta trotteten die meisten Menschen, ganz gleich, wie alt sie waren.
    Es war, als lebte sie von nichts als klarer, salzgesättigter Luft, und wenn sie eines Tages von ihnen ging, würde sie vermutlich genau das tun: von ihnen gehen. Einfach einen Schritt zur Seite machen. Sich im Nordwestwind auflösen, der eine Runde um den Leuchtturm von Norrudden sauste und anschließend übers Meer davonzog.
    Die Kaffeetafel war in der guten Stube gedeckt: Anchovisbrote mit Ei, Kekse und Zimtschnecken. Der Hunger, den Anders bisher verdrängt hatte, holte ihn nun ein. Simon spielte den Beleidigten und sagte zu Anders: »Ja, ja die gute Stube. Meine Wenigkeit muss in der Küche sitzen. Wenn ich überhaupt einmal eingeladen werde.«
    Anna-Greta blieb stehen und hob die Augenbrauen. »Höre ich da eine Beschwerde?«
    »Nein, nein«, antwortete Simon. »Ich sage nur, dass hier nicht jeder gleich zu sein scheint.«
    »Wenn du dich drei

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