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Menschenhafen

Menschenhafen

Titel: Menschenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ajvide Lindqvist
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Jahre nicht blicken gelassen hättest, würde ich für dich auch in der guten Stube decken.«
    Simon kratzte sich am Kinn. »Dann werde ich das wohl mal tun müssen.«
    »Dann geh ich ins Wasser, das weißt du. Jetzt setzt euch.«
    Anders’ Vater hatte einmal gesagt, Simon und Anna-Greta seien wie ein altes Komikerduo. Sie hatten ihre festgelegten Abläufe, die sie im Laufe der Jahre perfektioniert hatten und mittlerweile so blind beherrschten, dass sie keine alltäglichen Abläufe mehr waren, sondern einen Resonanzboden für Improvisationen bildeten. Man erkannte das Thema, aber die Worte waren jedes Mal neu.
    Anna-Greta betrachtete Anders, während dieser in rascher Folge zwei Brote verdrückte. Sie schob den Servierteller auf ihn zu.
    »Wie ich sehe, hast du in deinem Haus noch nichts zu essen.«
    Die Hand halb zum Teller ausgestreckt hielt Anders inne.
    »Entschuldige, ich …«
    Anna-Greta schnaubte.
    »Vergiss es. So habe ich es doch nicht gemeint. Iss, iss. Aber wir müssen uns eine Regelung einfallen lassen.«
    »Brennholz«, sagte Simon. »Wie sieht es mit Brennholz aus?«
    Sie diskutierten die Probleme und beschlossen, dass Anna-Greta Anders eine Tüte Lebensmittel mitgeben würde und er und Simon am nächsten Tag einkaufen fahren würden sowie dass Anders’ Boot möglichst schnell zu Wasser gelassen werden musste. Brennholz konnte er sich einfach nehmen, falls es ihm daran mangeln sollte.
    Anders entschuldigte sich und trat auf die Eingangstreppe hinaus, um zu rauchen. Er setzte sich auf einen Hocker, zündete sich eine Zigarette an und betrachtete Anna-Gretas Pflaumenbaum, der unter seiner Last überreifer Früchte ächzte. Er dachte an Holger und an Holgers Frau, ans Meer, das von Zeit zu Zeit seinen Tribut zu fordern schien, an den Anker auf dem Friedhof in Nåten, an Maja.
    Es ist trotz allem seltsam … dass es nicht … dass keiner …
    Als er zurückkehrte, war der Tisch abgedeckt und die Thermoskanne mit frischem Kaffee gefüllt worden. Simon und Anna-Greta saßen zueinander vorgebeugt am Tisch und steckten die Köpfe zusammen. Anders rührte sich nicht vom Fleck und beobachtete die beiden.
    So sah die Liebe aus. Dass so etwas möglich war und zwei Menschen sich fanden und anschließend gemeinsam daran arbeiteten, dass dieses gestaltlose, nicht greifbare Dritte, das zwischen ihnen entstanden war, lebendig blieb und die Liebe ein eigenes Wesen wurde, das die Bedingungen dafür diktieren durfte, wie das Leben geführt werden sollte.
    Wie funktioniert das eigentlich?
    Anders setzte sich schwer und benommen auf seinen Stuhl. Simon und Anna-Greta zogen sich voneinander zurück.
    »Ein bisschen frische Luft tut immer gut, was?«, bemerkte Anna-Greta.
    Anders nickte. Anna-Greta hatte sich nie darüber beschwert, dass er rauchte, ließ aber oft und in zahllosen Varianten spitze Bemerkungen zu diesem Thema fallen.
    »Ich hab da über etwas nachgedacht«, sagte Anders. »Wegen der Sache mit Holger. Ich meine, dass er denkt, ich hätte das mit den Briefkästen gemacht.«
    Anna-Greta verzog den Mund. »Wenn du Holger fragst, sind die Stockholmer schuld, dass es keinen Kabeljau mehr gibt.«
    »Schon klar. Aber das meine ich gar nicht. Es geht mir eher um … um die Sache mit Maja.«
    Simon und Anna-Greta sahen ihn an, ohne eine Miene zu verziehen. Die Stimmung sank wie ein Stein zum Grund, aber Anders sprach weiter: »Ich finde es seltsam, dass … wenn ich jetzt darüber nachdenke … dass mich keiner verdächtigt hat. Mich oder Cecilia. Das wäre doch im Grunde das einzig Naheliegende gewesen, nicht wahr? Die Eltern, ein Kind. Das Kind verschwindet spurlos. Ist doch klar, dass die Eltern die Schuldigen sind.«
    Simon und Anna-Greta wechselten einen Blick. Anna-Greta streckte ihre Hand über den Tisch aus und strich über Anders’ Knöchel. »So darfst du nicht denken.«
    »Das meine ich nicht. Ich weiß und ihr wisst, dass es war, wie es war. Sie ist verschwunden. Wie auch immer das möglich ist. Aber warum …«
    Anders hielt die Hände hoch, als wollte er nach einem Ball greifen, den es dort nicht gab, nach etwas, das er nicht zu packen bekam. Er sah es wieder vor sich. Die Gesichter, der Ton, die Fragen und die Beileidsbekundungen. Und nirgendwo … nirgendwo …
    »Warum gab es niemanden, warum gibt es keinen einzigen Menschen, der mich verdächtigt? Warum scheinen das alle als etwas … Natürliches zu betrachten?«
    Simon legte den Kopf in die Hand und runzelte die Stirn. Auch ihm schien

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