Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer
Ottmar Eberhardt. Beide wohnhaft in der Sandershäuser Straße 18. Also gar nicht so weit von der Mama entfernt, weshalb ich vermute, dass die gute Ilse uns angelogen hat, was die Adresse der beiden angeht.«
»Schön, dass du auch daran gedacht hast, Thilo«, lobte Lenz seinen Mitarbeiter.
Hain trank seinen Kaffee aus, stellte den Becher auf dem Tisch ab und grinste in die kleine Runde.
»Na ja, wenigstens ich muss ja was tun, wenn ihr beiden schon hier rumsitzt und euch darauf vorbereitet, wie die alten Hähne aufeinander einzuhacken.«
»Ach, Quatsch«, widersprachen Lenz und Wagner mit einer Stimme.
»Ja, ja, ihr Spaßvögel«, winkte der Oberkommissar lachend ab.
»Sieht so aus, als wäre der alte Eberhardt ein Fußballfan«, merkte Lenz schließlich an.
»Wie kommst du denn auf das schmale Brett?«, fragte Hain irritiert.
»Wegen der Vornamen; aber das kannst du natürlich nicht wissen, du Spätgeborener. Fritz und Ottmar waren die Vornamen der Walter-Brüder, die 1954 Fußball-Weltmeister geworden sind.«
»Und du meinst ernsthaft, dass Horst Eberhardt seinen 1968 und 1970 geborenen Söhnen deshalb diese Namen gegeben hat? Immerhin war die WM in der Schweiz zu dieser Zeit schon mindestens 14 Jahre Geschichte.«
»Glaub es oder lass es, ich allerdings bin sicher. Wobei es aber definitiv keine Rolle spielen dürfte für unsere Ermittlungen.«
»Ich wollte«, merkte Uwe Wagner süffisant an, »dich auch gerade nach der Relevanz für den Fall fragen, Paul. Aber …«
Er winkte grinsend ab. Lenz schloss die Augen und holte tief Luft.
»Eins zu eins, Uwe.«
»Immerhin«, gab der Pressemann zurück. »Allerdings bin ich mit deiner Theorie insoweit einverstanden, als dass die beiden Eberhardt-Brüder in jungen Jahren schon so was wie Fußballhelden in der Gegend waren. Wenn ich mich richtig erinnere …«
»Du kennst die beiden?«, riefen Lenz und Hain synchron dazwischen.
»Was heißt schon kennen ? Ich habe damals noch gekickt, obwohl sich meine Karriere als Torhüter beim damals noch ruhmreichen VFB Süsterfeld doch stark dem Ende zugeneigt hat, als die beiden auf der Bildfläche erschienen. Nachdem sie in der Jugend des VFL Bettenhausen angefangen hatten, sind sie relativ schnell beim KSV Hessen gelandet. Dort haben sie es geschafft, schon im Jahr darauf in der ersten Mannschaft zu spielen. Angeblich, aber das weiß ich nur vom Hörensagen, haben sie sogar ein Probetraining bei Eintracht Frankfurt absolviert. Letztendlich sind sie aber in Kassel geblieben und waren hier eine ganze Weile so was wie die Publikumslieblinge. Dann allerdings hat sich Fritz, der Ältere, eine böse Verletzung an der Hüfte eingehandelt, von der er sich nicht mehr erholt hat, und musste deswegen schließlich ganz mit dem Fußball aufhören. Irgendwann kurz danach hat er sogar ein künstliches Hüftgelenk gekriegt. Der Jüngere hat noch ein Jahr drangehängt, aber seine Leistungen sind schlagartig in den Keller gegangen. Außerdem hatte er zu dieser Zeit schon seinem Bruder nachgeeifert und war ein richtiges Arschloch geworden. Ständig lief irgendein Ermittlungsverfahren gegen ihn, weswegen er mehr vor Gericht als auf dem Sportplatz zu finden war, und so haben sie ihn, nachdem er in der Kabine auch noch einen Kollegen beklaut hatte, schließlich mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt.«
»Klingt, als hätte was aus ihnen werden können«, bemerkte Hain.
»Mir haben sie in einem Freundschaftsspiel jedenfalls mal ein paar ordentliche Dinger eingeschenkt«, gab Wagner anerkennend zurück. »Aber gut gegen den Ball zu treten, ist leider nicht alles im Leben. Auch wenn ich lange nichts mehr von ihnen gehört habe, so vermute ich doch, dass sie den Rest nicht so ganz auf die Reihe gebracht haben.«
»Das stimmt«, bestätigte der Oberkommissar und hielt ein weiteres, eng bedrucktes Blatt Papier hoch.
»Ihre Vorstrafenliste ist nahezu endlos. Und Knasterfahrung haben die beiden auch.«
Er überflog die zuvor ausgedruckte Aufstellung.
»Von Diebstahl und Nötigung über Körperverletzung bis hin zu Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ist alles dabei. Nicht wirklich Schwerkriminalität, aber eine gewisse Konstanz als Kleinkriminelle muss man ihnen zumindest attestieren.«
Lenz sah auf die Uhr über der Tür.
»Viertel vor sechs. Meinst du, wir sollten ihnen heute noch auf den Zahn fühlen?«
»Zumindest nachfragen, wo sie den Nachmittag verbracht haben, sollte noch drinliegen«, erwiderte Hain und hielt ein
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