Menschenskinder
»Jetzt essen sie erst, und dann feiern sie, und dann hauen sie ab und kommen erst am nächsten Tag wieder nach Hause.«
Bevor er vielleicht weiter ins Detail gehen würde, bremste eine Mutter seinen Mitteilungsdrang. »Wir fahren jetzt auch wieder zurück. Ihr sammelt euch ganz schnell da drüben am Brunnen! Alles klar?«
Mit den Kindern verliefen sich auch die Zuschauer. Ungeachtet des Regens waren Passanten stehen geblieben und hatten unter ihren Schirmen ausgeharrt, bis wir alle das Gebäude verlassen und damit das Ende des Spektakels signalisiert hatten. »So ähnlich hoch zehn muss sich Caroline von Monaco vorkommen, wenn sie demnächst ihren Ernst-Albert heiratet.‹ Katja sah den letzten Passanten kopfschüttelnd hinterher »Es haben bloß noch die Fotografen gefehlt.«
»Der heißt doch Ernst-August«, korrigierte Steffi. Sie bekam zur Zeit jeden dritten Tag Massagen und war dank der Wartezimmer-Lektüre über das Privatleben der Prominenz auf dem Laufenden.
»August passt auch besser zu ihm.«
Hätte die Trauung nur zehn Minuten länger gedauert, dann wären die Kleinen nicht patschnass geworden, Sven hätte sich nicht auf einen nur sekundenlangen Schwenk über den Kinderchor beschränken müssen, und ich wäre nicht mit dem Absatz im Matsch stecken geblieben, weil der dann schon wieder halbwegs trocken gewesen wäre. Bewölkt war nämlich endgültig vorüber, jetzt kam Heiter zum Zuge, und für den restlichen Tag blieb es auch dabei.
»Nun aber ein bisschen Action«, kommandierte Sven, Kamera vorm Gesicht »ihr steht da rum wie angenagelt, bewegt euch doch mal!« Also bewegten wir uns, umringten wunschgemäß das junge Paar, gingen wieder aus dem Bild, damit der Bräutigam endlich die Braut küssen konnte (diese Aufforderung war vom Standesbeamten nicht gekommen, anscheinend sind dafür nur die Pfarrer zuständig), bis der Bräutigamsvater meinte, es sei jetzt genug gefilmt, außerdem seien wir schon spät dran, der Champagner werde ja warm.
»Wo müssen wir denn überhaupt hin?« So konnte auch nur Rolf fragen, der zwar seine Stammkneipe kennt und alle Lokale im Umkreis, in denen man recht gut essen kann, jedoch von den kleineren Gaststätten allenfalls die Namen weiß, sofern sie mal wieder im Blättchen die Wildbretwoche ankündigen, die Neueröffnung der renovierten Kegelbahn bekannt geben oder den Freunden des Hauses mitteilen, dass sich der alte Besitzer zur Ruhe gesetzt und der neue vorwiegend griechische Küche anzubieten habe.
»Wir fahren ins Waldcafe«, informierte uns Jörg.
»Und wie kommt man da hin?«
»Am besten hinter uns her. Wo steht euer Wagen?«
»Da wir nur zum Fußvolk gehören, natürlich drüben auf dem Parkplatz. Die anderen aber auch.«
»Wir holen euch ab.« Bevor er seiner Frau die Autotür öffnete, warf er dem nur leicht zerrupften Gesteck auf dem Kühler einen finsteren Blick zu. »Das Grünzeug scheint resistent gegen Regen zu sein. Oder stammt es etwa aus Hannes’ Sortiment?«
»Nein. Unsere Gerbera sehen viel echter aus als die echten. Von uns kommen diesmal nur die schönen Schluppen, aber die durften wir ja nicht anbringen.« Zum Beweis zog er aus der Jackentasche eine der weißen Tüllschleifen, die Floristin Lissy mit viel Sorgfalt und noch mehr Draht gebunden hatte, auf dass sie an den Hochzeitsbegleitfahrzeugen so lange verankert würden, bis sie nach acht bis zwölf Monaten oder noch später in Form von kurzen grauen Fetzen von allein abfielen. Es bringt nämlich Unglück, wenn man sie selber entfernt. Wird behauptet, nur – hat das schon mal jemand nachgeprüft? »Die kannst du bis zu Katjas Hochzeit einmotten!«, hatte Jörg beim Anblick der zarten Kreationen empfohlen und dabei Tom angegrinst, der das nun wieder gar nicht lustig gefunden hatte. »Wenn ich mal heiraten sollte, dann nur auf einer kleinen Insel irgendwo weit weg von hier.«
Na ja, das hatten wir ebenfalls schon hinter uns. Nicht in der Realität natürlich, aber in der Planung. Steffi hatte nämlich auch mal vorgehabt, bei Sonnenuntergang an einem karibischen Strand mit Blick aufs Meer getraut zu werden, und dann war’s doch nur ein nüchternes deutsches Standesamt geworden mit einem Beamten, der eine Trauerrede gehalten hatte.
Das Waldcafe heißt deshalb so, weil es – welch Wunder! – am Waldrand liegt und somit am Ende des Ortes. Es wird überwiegend von Kurgästen frequentiert, die nach dem ärztüberwiegend von Kurgästen frequentiert, die nach dem ärzt Kalorien-Diät mit
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