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Menschenskinder

Menschenskinder

Titel: Menschenskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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erinnert, danach geht man unter die Dusche, und wenn man sich abgetrocknet hat, ist von der Urlaubsbräune nichts mehr übrig geblieben. Die sitzt jetzt im Handtuch!
    Wir haben in Algen gebadet (und danach stundenlang gar nicht gut gerochen), mal eine thermoaktive Maske aufs Gesicht geklatscht bekommen und am nächsten Tag eine Eismaske mit Colorbestrahlung, es gab Maniküre, Pediküre, Bürstenmassage und eine Collagen-Flies-Maske, und zwischendurch immer wieder Erfahrungsaustausch im Kaminzimmer bei Früchtetee und Granny Smith.
    »Also die Tabea ist ja wohl eine absolute Null«, beschwerte sich Lilo, »wenn ich das, was die als Gesichtsreinigung bezeichnet, bei meinen Kundinnen machen würde, käme keine einzige wieder. Hast du die auch?«, wandte sie sich an mich.
    »Nein, meine heißt Sibylle.«
    »Ach, das ist die mit den sanften Händen, nicht wahr?«, schwärmte Moni. »Wenn sie mich massiert, schlafe ich regelmäßig ein.«
    Lilo nickte. »Ja, die kann auch was. Die hatte ich gestern, als meine Tabea Migräne hatte. Verstehe ich gar nicht, wie kann jemand Migräne kriegen, der schon wie eine Kopfschmerztablette heißt? Ta-be-aa! Klingt doch wie › … dreimal täglich nach den Mahlzeiten.««
    »Musst du schon wieder vom Essen reden?«
    Ach ja, das Essen. Es war jedes Mal ein Vergnügen, die mit viel Geschmack dekorierten Teller entgegenzunehmen, es schmeckte auch immer ausgezeichnet, nur – es war einfach nicht genug. Was nützt es, wenn der täglich wechselnde Blumenschmuck auf den Tischen farblich genau zum Essen passt, aber leider nicht genießbar ist? Lilo hatte ja auch nicht durchgehalten. Offiziell schon, aber dann war sie kurz vor Ladenschluss zum nächsten Supermarkt geradelt – Räder konnte man sich leihen, sie dienten ja der Körperertüchtigung – und hatte sich mit dem Nötigsten eingedeckt wie Chips, Erdnussflips, Müsliriegel und Gebäck. »Das sind alles Vollkornkekse, die machen nicht dick!«
    Und dann kam Conny auf die Idee mit dem Bunker-Müsli. Conny hatte ständig Hunger, weigerte sich aber beharrlich, auf normale Kost umzusteigen. »Das ist Solidarität«, hatte sie gleich am ersten Tag gesagt, »ich hau mir doch nicht die Bratkartoffeln rein, während ihr auf drei Stängeln Suppengrün herumkaut! Kommt nicht in Frage. Mitgefangen – mitgehangen! «
    »Unsinn!«, hatte Moni protestiert. »Ein paar Pfund mehr auf den Rippen würden dir sogar besser stehen. Wie viel wiegst du denn zur Zeit?«
    Conny nannte eine Zahl, von der die meisten von uns nur träumen konnten, doch von ihrem Entschluss war sie nicht abzubringen. Oder fast nicht, denn beim Frühstück wurde sie schon mal schwach. Das Müsli war’s, dem sie nicht widerstehen konnte, hausgemacht nach einem von der Köchin erfundenen Rezept, dessen Zusammenstellung im Haus Heide genauso geheim gehalten wurde wie in Amerika die Mixtur von Coca-Cola. Angeblich war Amelie die einzige Mitwisserin, leider eine absolut verschwiegene. »Einige Zutaten werden vorher geröstet«, hatten wir der Köchin schließlich doch entlocken können, aber das hatten wir schon selber herausgefunden. Am dritten Morgen und nach der zweiten Portion Müsli füllte Conny ihr Schälchen zum dritten Mal, goss Milch darüber und stellte es ganz hinten in den Kühlschrank. »Das ist für heute Abend vor dem Schlafengehen. Da habe ich immer am meisten Hunger!«
    »Ich werd’ verrückt, die Conny bunkert Müsli!«, schrie Lilo. »Das ist überhaupt …«
    Was es denn ›überhaupt gewesen‹ ist, haben wir nicht mehr erfahren, weil Renate ihr ganz schnell den Mund zugehalten hatte, aber als das Büffet abgeräumt wurde, war die große Müslischüssel leer, während sich in den beiden Kühlschränken sechs kleine Schälchen aneinander reihten, von den davor stehenden Flaschen restlos verdeckt. Rosemarie hatte sich nämlich von »diesem Selbstbetrug« distanziert, und ich habe meine Portion auch nicht gegessen, sondern an Conny abgetreten. Was nützen die ganzen guten Vorsätze, wenn man mittendrin doch wieder schwach wird?
    Unsere Mittag- und Abendmahlzeiten nahmen wir weiterhin im Unterhaus ein, wo wir zunehmend das Missfallen der dortigen Bewohner erregten. Nicht nur, dass wir grundsätzlich geschlossen einmarschierten, während die anderen Damen nur einzeln oder bestenfalls zu zweit erschienen wie Kabeljau und Bernhard, wir setzten uns auch sofort zusammen, quasselten weiter, lachten und debattierten die einzelnen Behandlungen, die wir gerade hinter oder noch

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