Menschensoehne
Produktion von Amphetaminen, deren Nebenwirkungen allerdings damals unbekannt waren. An Amphetamin war früher leicht heranzukommen, es wurde sogar ganz normal als Aufputschmittel verwendet. Viele nannten es die Urlaubsdroge. Um das Jahr 1970 wandte sich die Firma Fentíaz anderen Aufgabenbereichen zu, über die es wenig Informationen gab, aber allem Anschein nach kam es zu einer engeren Zusammenarbeit mit dem Kreutz’schen Pharma-Konzern in Deutschland in Bezug auf künstliche Befruchtung. Sævar selbst zog es vor, ganz im Hintergrund zu bleiben. Er brach mit der Kreutz’schen Tradition, eine Familie zu gründen. Er hatte nie geheiratet und besaß keine Kinder. Anfang der neunziger Jahre ließ Sævar sich ein monumentales Haus auf Kjalarnes errichten, eine mächtige Bastion, die von einem deutschen Ingenieurbüro entworfen worden war. Der Bau nahm zwei Jahre in Anspruch. In Hamburg besaß Sævar ebenfalls ein Haus, ebenso in Südfrankreich. Soweit man informiert war, hielt er sich kaum noch in Island auf, aber Genaues wusste man darüber nicht. Er war seit langem sozusagen untergetaucht. Bei der größten Tageszeitung gab es ein einziges Foto von ihm aus seinen jüngeren Jahren. Es war 1967 aufgenommen worden, als er zum Mann des Jahres im isländischen Wirtschaftsleben gewählt wurde.
Siebenunddreißig
Als Erlendur und Sigurður Óli am nächsten Morgen zur Hauptniederlassung des Fentíaz-Unternehmens kamen, wurden sie an den Geschäftsführer verwiesen, der sie in seinem geräumigen Büro in Empfang nahm. Nachdem sie gesagt hatten, um was es ging, erklärte er, dass Sævar Kreutz augenblicklich leider nicht im Lande sei, und er könne auch nicht sagen, wo er sich im Augenblick aufhalte. Er selbst habe keinerlei Verbindung zu Sævar, der sich überhaupt nicht um das Unternehmen und die Geschäftsführung kümmerte. Wenn es etwas zu besprechen gab, war Erik Faxell, die rechte Hand von Sævar Kreutz, zuständig.
»Uns liegen Informationen darüber vor, dass Sævar vor etwa zehn Tagen nach Island gekommen ist«, sagte Erlendur. »Dir ist nichts darüber bekannt?«
»Nein, ich habe geglaubt, er sei in Deutschland. Erik hält mich meistens darüber auf dem Laufenden, wo er sich gerade befindet.«
»Wo können wir diesen Erik denn erreichen?«
»Erik? Den erreichen Sie in seinem Büro in der Lækjargata«, sagte der Geschäftsführer, der ansonsten keinerlei Interesse an der Sache zu haben schien.
»Wen darf ich vorstellen?«, fragte ein junger Sekretär, der in seinem hellen und geräumigen Büro an der Lækjargata am Schreibtisch saß. Er schaute zu Erlendur und Sigurður Óli hoch. Der Sekretär war ein zierliches männliches Wesen, nicht älter als fünfundzwanzig Jahre.
»Wir sind von der Kriminalpolizei«, sagte Sigurður Óli. »Wir hätten gern mit Erik Faxell gesprochen.«
Der Sekretär taxierte sie zunächst mit neugierigen Augen von oben bis unten, stand dann auf und begab sich in das anliegende Büro. Als er wiederkam, folgte ihm ein gut gekleideter, eleganter Mann zwischen fünfzig und sechzig, der sie mit einem betont gewinnenden Lächeln in sein Zimmer führte. Er stellte sich als Erik Faxell vor. Er hatte ein goldenes Armband am Handgelenk und trug einen Bart, den er offenbar sorgfältig stutzte. Auf der Nase saß eine modische Designerbrille, das Haar war grau meliert.
Die Fenster seines Büros gingen auf die Lækjargata hinaus und schräg links sah man das Regierungsgebäude. Das Zimmer war mit einer teuren Ledergarnitur ausgestattet, und die Wände waren mit diversen Gemälden der bekanntesten isländischen Maler des 20. Jahrhunderts tapeziert. An einer Wand stand ein Glasschrank, in dem sich zahlreiche kleine Porzellanfiguren befanden. Der Boden bestand aus Marmor, und nirgends war ein Körnchen Staub zu sehen. Was für ein tolles Büro, dachte Sigurður Óli. Grauenvoll, dachte Erlendur und betrachtete den Glasschrank.
»Du kannst dir wahrscheinlich denken, weshalb wir hier sind?«, sagte Erlendur, nachdem sie Platz genommen hatten.
»Nein. Weshalb denn?«, fragte Erik zurück, ohne eine Miene zu verziehen.
»Wir müssen mit Sævar Kreutz sprechen, denn es besteht der Verdacht, dass er in irgendeiner Verbindung zu dem Mord an einem Lehrer hier in Reykjavík steht. Uns liegt sehr wenig vor, deswegen müssen wir allen Hinweisen nachgehen, und der Name Sævars fiel bei zwei Zeugenvernehmungen. Es handelt sich um eine ganz normale Routineuntersuchung. Wir müssen sehr sorgfältig vorgehen
Weitere Kostenlose Bücher