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Menschensoehne

Menschensoehne

Titel: Menschensoehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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andere über den Gang der Ermittlung weiß?«, fragte Erlendur und warf Sigurður Óli einen Blick zu.
    »Willst du damit andeuten, dass der Premierminister nicht imstande ist, mit vertraulichen Informationen umzugehen?« Der Polizeidirektor war sichtlich wütend.
    »Ich deute gar nichts an«, sagte Erlendur. »Uns liegt die Aussage eines Mannes vor, die besagt, dass ihm und seinen Kameraden in der Schule irgendein Präparat verabreicht wurde, das überaus negative Auswirkungen gehabt hat, wie sich nach und nach herausstellte, um es milde auszudrücken. Uns liegen diese Aussagen und sämtliche ärztlichen und polizeilichen Berichte vor, die Auskunft über das Schicksal dieser Jungen geben. Wir haben die Aussage einer intelligenten Frau, die zugibt, seinerzeit an den Experimenten mit diesen Jungen teilgenommen und Blutproben an die Schwester von Sævar Kreutz abgeliefert zu haben. Sævar Kreutz ist der vermutlich größte Pharmaproduzent in Island. Meiner Meinung nach besteht hinreichend Anlass, dem Mann ein paar Fragen zu stellen. Er ist nicht häufig in Island anzutreffen, weil er sich seit nunmehr fast zwanzig Jahren höchstens ein paar Wochen pro Jahr hierzulande aufhält, aber jetzt ist er tatsächlich hier, und wir können diese Gelegenheit nicht verstreichen lassen. Er kann uns dann ja mit lammfrommer Miene selber sagen, was für ein hirnrissiger Quatsch das Ganze ist.«
    »Woher wisst ihr, dass er in Island ist?«
    »Er ist vor etwa zehn Tagen eingetroffen, und uns ist nichts darüber bekannt, dass er das Land wieder verlassen hat. Über seine Unternehmungen hierzulande weiß man nur sehr wenig, er könnte sich deswegen das ganze Jahr über in seiner Festung abschotten, ohne dass irgendjemand davon erfährt.«
    »Ihr werdet mit äußerster Diskretion vorgehen«, erklärte der Polizeidirektor, während er die Luft durch die Zähne einsog.
    Erlendur und Sigurður Óli verabschiedeten sich. Es war kurz vor dem Abendessen und zu spät, um Sævar Kreutz jetzt noch zu belästigen. Sie würden am nächsten Tag bei ihm vorstellig werden. Sie hatten tagsüber die Zeit genutzt und sich genau über diesen Mann informiert. Er war deutscher Abstammung. Sein Urgroßvater war Karl Kreutz, der Anfang des neunzehnten Jahrhunderts von Hamburg aus nach Island ausgewandert war und in Reykjavík ein Geschäft gegründet hatte. Er hatte außerdem die Vertretung für deutsche Fischereifahrzeuge gehabt, von denen es auf den Fischbänken rings um Island wimmelte. Die Kreutz-Familie kam zu Geld, denn dieser Karl war genauso umsichtig wie geizig. Als er 1870 starb, hinterließ er ein blühendes Unternehmen. Seine beiden älteren Söhne kamen auf dem Meer ums Leben, aber sein jüngster Sohn Hans übernahm nach seinem Tod das Geschäft, das er bis zur Jahrhundertwende mit eiserner Hand leitete. Er brachte es zu einer angesehenen Position als Reeder. Vor allem eine seiner Geschäftsideen sollte später blühen und gedeihen: Er hatte eine Apotheke gegründet, und später kam in Zusammenarbeit mit der Kreutz-Familie, der eines der führenden Pharmazieunternehmen in Deutschland gehörte, die Herstellung von Arzneimitteln hinzu. Sein Sohn wurde Gunnar getauft, und er nannte sich nach seinem Vater Hansson, sehr zum Leidwesen der Kreutz-Familie in Deutschland. Er hatte kaum Interesse am Fischfang, aber umso mehr an der Herstellung von pharmazeutischen Produkten. Er konzentrierte seine Kräfte in erster Linie darauf, das Pharma-Unternehmen so lange zu vergrößern, bis es mehr oder weniger eine Monopolstellung in Island hatte. Dieser Gunnar brach Anfang der fünfziger Jahre die Verbindung zu seinen deutschen Verwandten ab, weil sie wie so viele andere Unternehmer den Nazis etwas zu nahe gestanden hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam nämlich ziemlich bald das Gerücht auf, dass das deutsche Unternehmen an der Entwicklung und Produktion von Giftgas beteiligt gewesen war. Außerdem gab es Anschuldigungen von ehemaligen KZ-Insassen, die den Holocaust überlebt hatten, dass Mitarbeiter der Firma Kreutz in den KZs Versuche mit Medikamenten durchgeführt hatten. Gegen den Willen seines Vaters nahm Sævar Kreutz die Zusammenarbeit mit der deutschen Firma wieder auf, mit deren Unterstützung er sein eigenes Unternehmen gründete, nämlich Fentíaz. Die Firma war seit 1958 eingetragen und spezialisierte sich in Zusammenarbeit mit dem deutschen Partner auf die Entwicklung von Psychopharmaka. Sævar hatte in den sechziger Jahren großen Erfolg mit der

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