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Menschensoehne

Menschensoehne

Titel: Menschensoehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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der die staatlichen Entziehungseinrichtungen als Privathotels betrachtete. Die Mutter der Kinder hatte die Scheidung von Erlendur nie verwunden und jede Gelegenheit wahrgenommen, den Vater, nachdem er die Familie verlassen hatte, nach besten Kräften schlecht zu machen. Von Kindesalter an hatten sie ein völlig schiefes und verzerrtes Bild von ihm bekommen. Seine Ex-Frau hatte den Umgang mit seinen Kindern sabotiert, und er hatte den Kampf sehr bald aufgegeben, sie regelmäßig zu sehen.
    Aber als sie älter wurden, versuchten sie von sich aus, ihren Vater kennen zu lernen, und fanden in ihm einen Kumpel und keineswegs den Schurken, den ihre Mutter aus ihm gemacht hatte. Besonders seine Tochter war ihm ans Herz gewachsen, und er hatte oft darüber nachgedacht, ob es sie von den Drogen abgehalten hätte, wenn er es länger in dieser kaputten Ehe ausgehalten hätte. Erlendur wusste ganz genau, dass er einerseits froh gewesen war, nicht die Verantwortung übernehmen zu müssen, die mit einer Familie verbunden war, und die Freiheit genießen zu können, die ihm sein Single-Dasein gewährte. Er war zu der Überzeugung gelangt, dass er kein guter Familienvater geworden wäre. Andererseits plagte ihn sein Gewissen, denn das, was seine Kinder aus ihrem Leben gemacht hatten, ging ihm nahe.
    Erlendur hatte beiden einen Schlüssel zu seiner Wohnung gegeben, und als er eines Abends nach Hause kam, lag seine Tochter auf dem Sofa. Sie hieß Eva Lind, dieser furchtbare Name war ihr von ihrer Mutter verpasst worden. Erlendur hatte damals heftig dagegen protestiert, aber er konnte sich nicht durchsetzen. Das Mädchen wurde so getauft. Er hatte gewollt, dass sie Þorbjörg heißen sollte nach seiner Großmutter mütterlicherseits, die er sehr geschätzt hatte. Þorbjörg , hatte die Mutter gerufen und war außer sich gewesen. »Willst du, dass mein Kind einen so altmodischen Namen kriegt? So heißen doch nur alte Frauen!«
    »Sie wird ja auch mal älter werden«, hatte Erlendur gesagt, wissend, dass es nichts bringen würde, für diesen Namen zu kämpfen. Die Ehe war damals bereits nicht mehr zu retten gewesen. Der Sohn war ein Jahr jünger als Eva Lind. Erlendur ließ sich bei seiner Taufe gar nicht erst blicken. Er erhielt den Namen Sindri Snær.
    Eva Lind wurde wach, als er die Tür hinter sich schloss. Sie war zweiundzwanzig, sah aber verlebt und wesentlich älter aus, als sie war.
    »Bist du da?«, fragte sie verschlafen und stützte sich auf den Ellbogen.
    Erlendur machte Licht, aber sie versteckte ihr Gesicht hinter einem Kissen. Sie trug eine schwarze Lederjacke und abgewetzte Jeans. An den Füßen hatte sie das, was in Erlendurs Jugend als Bergschuhe bezeichnet wurde, dicksohlig, grob und groß wie Skistiefel.
    »Stimmt etwas nicht mit dir?«, fragte Erlendur, nahm den Hut ab und zog den Mantel aus.
    »Er hat mich geschlagen«, sagte Eva Lind und nahm das Kissen vom Gesicht weg. Die Oberlippe war geplatzt und dick geschwollen, das eine Auge war rot unterlaufen, und aus der Nase floss ein blutiges Rinnsal. Sie sagte, sie habe Schmerzen am ganzen Körper, denn der Freund habe fest und oft zugetreten, nicht nur am Kopf. Erlendur setzte sich zu ihr und nahm sie in den Arm.
    »Warum hat er dich geschlagen?«, fragte er.
    »Als ich nach Hause kam, hat ihm so eine Tussi einen abgelutscht.«
    »Und?«
    »Die hörte einfach nicht auf.«
    »Hm.« Erlendur behielt die Ruhe, obwohl es ihm schwer fiel.
    »Ich habe ihnen gesagt, dass sie sich verpissen sollen, aber er hat mich nur ausgelacht, und dann haben sie weitergemacht.«
    »Damit warst du nicht einverstanden.«
    »Ich habe ihr an den Kopf getreten.«
    »Mit diesen Schuhen?«
    »Und sie hat zugebissen, und die hat ein Gebiss wie ein Hai, ich schwör’s, die hat ne doppelte Reihe Zähne.«
    »Das dürfte aber wehgetan haben.«
    »Du hättest ihn brüllen hören sollen.«
    »Hätte ich tatsächlich gerne.«
    »Und dann hat er mich zusammengeschlagen. Er hat zugehauen und getreten wie ein Wahnsinniger und mich an den Haaren aus der Wohnung geschleift und die Treppe runtergeschmissen. Er hat rumgetobt wie ein Irrer.«
    »Hast du dir nichts gebrochen?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Sollten wir nicht trotzdem lieber zum Arzt?«
    »Wenn du meinst.«
    »Hat er dich schon früher mal geschlagen?«
    »Oft. Er ist ein widerlicher Typ.«
    »Wieso bist du dann mit ihm zusammen?«
    »Er hat das Dope. Und manchmal kann er ganz nice sein.« »Wirst du wieder zu ihm gehen?«
    »Nur, um ihn

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