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Menschensoehne

Menschensoehne

Titel: Menschensoehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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schwieg Magni sich über seine Verbindung zu Eva Lind aus. Sie kam nie zur Sprache.
    Sigurður Óli musste oft an diesen Abend denken. Seine erste wirkliche Begegnung mit Erlendur war weiß Gott nicht gerade erhebend gewesen. Im Lauf der Zeit lernte er aber, Erlendurs Erfahrung und Menschenkenntnis zu schätzen, aber er lernte nicht, Erlendur als Mensch zu schätzen. Das war etwas, was sich von selbst entwickeln musste. So etwas lernt man nicht.

Elf
    Eine Kopie von Daníels Autopsiebericht war an den zuständigen Psychiater geschickt worden und lag auf dessen Tisch, als Pálmi an einem kühlen Montagmorgen eintrat. Draußen war es noch stockfinster. Der Arzt hatte den Bericht kurz überflogen. Darin stand hauptsächlich die Bestätigung dessen, was ohnehin bereits bekannt war. Daníel war sofort tot gewesen, als der Kopf auf die Treppe aufgeschlagen war und der Schädel sich geöffnet hatte, und praktisch jeder Knochen in seinem Körper war gebrochen. Das Hirn war herausgeplatzt. Der Arzt reichte den Bericht an Pálmi weiter, der ihn sorgfältig las. Pálmi hatte den Überblick verloren, bei wie vielen Ärzten Daníel in Behandlung gewesen war. Dieser hier hieß Gunnar und war ein sympathischer Mann mittleren Alters. Seine Bewegungen waren langsam, und er formulierte seine Einschätzungen immer mit viel Bedacht. Er trug eine starke Brille, die seine Augen riesig erscheinen ließ. Pálmi kam es so vor, als würde er mit großen Dorschaugen angestarrt.
    »Die Blutuntersuchung hat ergeben, dass Daníel seine Medikamente nicht genommen hat, bevor er starb, möglicherweise über einen längeren Zeitraum hinweg«, erklärte Gunnar. »Das war nicht das erste Mal, wie du weißt. Es dauert immer eine geraume Zeit, bis die Wirkung der Präparate ganz nachlässt, und deren Absetzen ist an und für sich schon eine ausreichende Erklärung für den inneren Aufruhr, in dem er sich in den letzten Tagen befand.«
    »Er hat schon früher versucht, sich umzubringen.«
    »Selbstmorde sind ein seltsames Phänomen und in jeder Hinsicht unberechenbar. Auch wenn Daníel sich unter diesen Umständen umgebracht hat, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, dass es mit seiner Krankheit zu tun gehabt hat. Irgendetwas kann diesen Prozess in Gang gesetzt haben. Suizide können auch bei völlig normalen Personen sozusagen aus heiterem Himmel auftreten, und erst recht bei psychisch Kranken. Jeder von uns denkt irgendwann im Leben an Selbstmord, viele tun das sogar oft, und leider gibt es immer wieder Menschen, die dann tatsächlich Hand an sich legen.«
    Der Arzt räusperte sich und blickte Daníel an.
    »Wir haben sehr, sehr viele Beispiele dafür, dass vollkommen gesunde Menschen sich anscheinend völlig grundlos das Leben nehmen. Vor einigen Jahren hatte ich zeitweilig eine Patientin auf meiner Station, deren Mann sich erschossen hatte. Bei ihnen schien zuvor alles bestens zu laufen. Sie hatten vier Kinder, drei davon waren bereits flügge und von zu Hause ausgezogen. Die Ehe war glücklich. Sie standen in der Blüte ihres Lebens, beide waren gesund. Sie unternahmen viele Reisen zusammen und hatten einen netten Freundeskreis. Was will man mehr? Er war erfolgreich in seinem Beruf und hatte eine leitende Position inne, war bei der Arbeit mehr als ausgelastet und wurde sehr gut bezahlt. Er hatte nie eine Schusswaffe besessen und konnte damit auch nicht umgehen, aber der Eigentümer der Firma, für die er arbeitete, war ein leidenschaftlicher Jäger und bewahrte zwei Gewehre in seinem Büro auf. Dieser Mann hat dann eines Tages den verschlossenen Gewehrschrank aufgebrochen und die passende Munition gefunden, ist ein Stück aus der Stadt herausgefahren und hat sich eine Kugel durch den Kopf gejagt. Er hinterließ keinerlei Abschiedsbrief. Der Selbstmord kam aus heiterem Himmel. Niemand wusste, warum. Der Mann besaß alles, was man sich wünschen konnte. Trotzdem muss da etwas geschehen sein, weswegen ihm das Leben nicht länger lebenswert erschien.«
    »Daníel war völlig aufgelöst, als ich kam.«
    »Daníel hatte aufgehört, seine Medikamente zu nehmen. Das ist die einzige Erklärung, die ich habe. Er ist nie zuvor so weit gegangen, obwohl er hin und wieder mal ein bisschen Zoff gemacht hat, wenn man das so nennen darf. Er war schon immer etwas rebellisch veranlagt und hatte seinen Spaß daran, andere Patienten aufzustacheln und sie zur Rebellion gegen das Personal und die Ärzte zu bewegen.« »Er hat euch ›verdammte Schweine‹

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