Menschensoehne
Appartement wimmelte von Kriminalpolizisten, die Leute von der Spurensicherung waren da und die Fotografen. Mittendrin stand Erlendur und blickte sich um.
»Wer zum Kuckuck bist du?«, fragte er, als sein Blick auf die Eingangstür fiel.
Ein nicht sehr großer junger Mann stand in der Tür, er war schlank und hatte schon ziemlich schütteres Haar. Er sah mitgenommen aus und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Der junge Mann, der einen grünen Parka und Jeans trug, schaute Erlendur mit traurigen Augen an. Er sah älter aus, als er war, und er wirkte entschlossen. Irgendetwas in seinem Aussehen gab zu erkennen, dass er sich nicht so leicht abwimmeln lassen würde. Erlendur konnte sich nicht erinnern, dass er je zuvor Besuch an einem Tatort bekommen hatte.
»Mir wurde gesagt, dass ich dich hier antreffen würde«, sagte der junge Mann und trat ein. »Mein Name ist Pálmi.«
Achtzehn
Der Südwestwind peitschte gegen das Haus, das wie ein dunkler, düsterer Felsklotz am Meer stand. Die weiß schäumenden Wogen brachen sich an der Betonmauer des Gartens. Drinnen in den Prachtgemächern hörte man den Wind heulen und brausen. Das ganze Haus lag im Dunkeln, nur aus einem großen Schlafzimmer drang ein Lichtschein. »Ja«, meldete sich der Hausbesitzer.
»Er hat nichts bei der Schwester gefunden«, sagte die Stimme am Telefon.
»Also hat sie nichts in ihrem Besitz gehabt. Gut.«
»Sie hat sich zur Wehr gesetzt. Er hat sie beinahe umgebracht.«
»Warte einen Moment«, sagte der Mann und legte den Hörer beiseite. Er stieg aus dem Bett, drückte einige Tasten und ging in das anliegende Zimmer, in dem sich ebenfalls ein Telefon befand. Er hatte Vorrichtungen getroffen, dass an einigen Hausanschlüssen nicht mitgehört werden konnte. »Warum ist er nicht einfach bei ihr eingebrochen, als sie nicht zu Hause war, um nach den Kassetten zu suchen?«, fauchte er. »Es war ja wohl völlig überflüssig, handgreiflich zu werden.«
»Ich war nicht dabei. Er hatte bestimmt nicht vor, so weit zu gehen, aber sie wurde wild und fing an, zu kratzen und zu beißen. Das behauptet er jedenfalls. Es könnte natürlich auch alles gelogen sein. Vielleicht ist er nicht der richtige Mann für diesen Job.«
»Was ist genau passiert?«
»Er hat ihr eins übergezogen, und sie hat das Bewusstsein verloren.«
»So ein verdammter Idiot. Nachdem gerade erst ihr Bruder umgebracht wurde. Klar, dass sie das miteinander in Verbindung bringen.«
»Das ist das Problem.«
»Und keine Kassetten?«
»Keine Kassetten.«
»Die müssen gefunden werden.«
»Aber was ist mit dem, der das Haus angezündet hat? Er könnte auch etwas wissen.«
»Möglich. Aber wer war das?«
»Daníel hatte einen jüngeren Bruder. Der hat ihn regelmäßig besucht, die ganzen Jahre über. Er könnte Probleme machen. Vielleicht wird er verdächtigt.«
»Wir müssen am Ball bleiben, was die Ermittlungen betrifft.«
»Ich kümmere mich um den Premierminister.«
»Du begreifst, worum es geht. Falls das jetzt alles ans Tageslicht kommt, besteht die Gefahr, dass die Verträge mit den Koreanern platzen. Kapierst du? Er wird der erste sein, den unsere Firma produziert, und das bedeutet Milliarden. So, wie die Geschäfte in den letzten Jahren gelaufen sind, kann dieser Vertrag ausschlaggebend dafür sein, ob der Konzern Bankrott geht oder nicht.«
»Die Deutschen sind in Korea. Soweit ich gehört habe, läuft alles nach Wunsch. Wir müssten es eigentlich schaffen, die Verträge ziemlich bald unter Dach und Fach zu bekommen. Und dann legen wir sofort los.«
Der Mann legte auf und ging wieder ins Schlafzimmer.
Alles in Ordnung, mein Freund, formte er mit den Lippen, ohne dass ein Laut zu hören war.
Neunzehn
Erlendur und ein paar seiner engsten Mitarbeiter saßen mit Pálmi im Hauptquartier der Polizei zusammen. Es war schon spät. Erlendur hatte Pálmi seinen Mitarbeitern vorgestellt. Da waren der rotblonde, gestylte Sigurður Óli und Einar, der schon lange bei der Kriminalpolizei war. Elínborg war Mutter von vier Kindern und geschieden. Wie Sigurður Óli hatte sie einen Universitätsabschluss, sie hatte Geologie studiert, aber dann nie in diesem Fach gearbeitet. Der jüngste von ihnen war Þórólfur, der zu Schulzeiten linksradikale Ansichten vertreten hatte, aber erzkonservativ geworden war, seitdem er Geld verdienen musste.
Sie saßen in Erlendurs Büro und tranken Kaffee. Erlendur rauchte. In allen öffentlichen Gebäuden war das Rauchen verboten, aber in seinem
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