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Menschensoehne

Menschensoehne

Titel: Menschensoehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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Lanzen hin. Im schlimmsten Fall endeten die Kämpfe damit, dass wir uns mit Steinen beworfen haben und es zu richtigen Verletzungen kam. Hin und wieder wurden sogar die Bullen gerufen, wenn wir blutend nach Hause kamen. Aber wenn Trupps oder Banden aus anderen Vierteln sich blicken ließen, scharten sich alle Jungs aus unserer Straße zusammen. Wir nahmen den Kampf mit denen auf und versuchten sie zu verjagen. Und egal, ob Sommer oder Winter, es kam immer wieder zu neuen Gefechten mit Kampfgebrüll und Kriegsgeschrei.
    Danni und ich und all die anderen aus der Klasse hatten einen Riesenspaß an diesen Schlachten, und wir trainierten extra dafür«, erklärte Sigmar und sah Erlendur und Sigurður Óli an. »Wir haben uns richtige Waffenlager angelegt und ganze Szenen aus irgendwelchen Filmen nachgespielt. Manchmal erzählten wir uns auch Horrorgeschichten von irgendwelchen Halbstarken, von denen wir gehört hatten, dass sie sich jüngere Kinder schnappten, um sie zu quälen und zu schikanieren. Es waren viele solche Gerüchte in unserem Viertel in Umlauf, aber das meiste war wahrscheinlich erfunden. Aber die Geschichte von Kiddi Kolke war nicht erfunden. Sie war echt wahr, und machte immer wieder die Runde, wenn Kinder sich trafen und sich grausame und brutale Geschichten erzählten. Sie wurde mit der Zeit immer bösartiger und brutaler, aber der Kern ist immer derselbe geblieben. Manchmal kriege ich sie auch heute noch zu hören.«
    Sigmar starrte eine Weile vor sich hin. Erlendur und Sigurður Óli warteten schweigend, bis er fortfuhr:
    »Wir haben oft darüber geredet, was für ein Unglücksrabe Kiddi Kolke war. Den Namen bekam er, nachdem er zu Hause bei sich im Garten einen richtigen Kolkraben abgemurkst hatte. Er war immer ein Pechvogel, er kam unters Auto oder verknackste sich den Arm. Oder er fiel beim Schliddern hin und brach sich das Schlüsselbein. Wenn wir in den Läden was mitgehen ließen, wurde immer er erwischt. Einmal haben wir ein frisch angestrichenes Haus mit Matsch und Dreckklumpen beworfen, sodass es kaum noch wiederzuerkennen war. Kiddi war der Einzige, der geschnappt wurde, als der Besitzer aus dem Haus gerannt kam. Mit seinen Gummigaloschen kam Kiddi in dem Matsch nicht von der Stelle, und das Schlimmste war dann, dass diese blöden Galoschen in der Pampe steckenblieben, und dafür setzte es eine Tracht Prügel, als er nach Hause kam. Da war irgendwas mit ihm, er war ein Unglücksrabe.
    Einmal saßen wir da unten in unserem Keller um die Kerzen herum und mampften Cornflakes, die wir geklaut hatten. Gísli moserte rum wegen der Spritze, mit der uns die Krankenschwester am Tag zuvor das Blut abgezapft hatte. Gísli krempelte den Ärmel hoch und zeigte uns den großen blauen Fleck in der Armbeuge. ›Das tut verdammt weh, wenn diese Alte zusticht‹, sagte er. ›Der knall ich eine, wenn sie mir beim nächsten Mal wieder so wehtut.‹ ›Du willst ihr wirklich eine scheuern?‹, fragte Aggi mit vollem Mund. Kiddi Kolke fand auch, dass diese Nadeln eklig wären, und Danni meinte, dass diese Tussis nie einen Ton sagen würden, sie würden bloß zustechen und einen dann wieder rausschicken. Aggi behauptete, sie würden unser Blut trinken, das seien bestimmt Vampire. Und dann hörten wir plötzlich Schritte über uns, die sich der Kellerluke näherten, und sahen sechs oder sieben ältere Jugendliche die Treppe runterkommen. Im Schein der Kerzen kamen sie langsam auf uns zu, wir hatten sie vorher noch nie gesehen. Sie mussten aus einem ganz anderen Stadtteil kommen. Ihr Anführer hatte eine schwarze Hose und eine schwarze Lederjacke an. Die waren ungefähr fünfzehn oder sechzehn Jahre alt, und wir hatten eine Scheißangst. Ein Mädchen war auch dabei, sie kam zuletzt nach unten, und wir starrten sie an. Sie hielt eine tote schwarze Katze am Schwanz gepackt und schlenkerte sie herum, und der Kopf von dem Tier war ganz zermatscht und blutig.«
    Sigmar schien sich nicht mehr in dem Verhörraum, sondern wieder in jenem Keller zu befinden.
    »›Was denn, was denn‹, sagte der Anführer. ›Findet hier das Nähkränzchen vom Kindergarten statt? Mannomann, und dann noch geklaute Cornflakes, wow!‹
    Seine Kumpels kriegten sich vor Lachen nicht wieder ein. ›Und was für hübsche Kerzen‹, sagte er. ›Vielleicht seid ihr ja alle schwul, und das ist hier ist so eine richtig dufte Schwulenparty.‹
    Die Bande wieherte vor Lachen.
    ›Das hier ist unser Geheimversteck‹, erklärte Kiddi Kolke, und wir

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