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Menschensoehne

Menschensoehne

Titel: Menschensoehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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hervorragend.«
    »Kannst du dich daran erinnern, dass Krankenschwestern kamen, um den Jungen in Halldórs Klasse alle paar Monate Blut abzuzapfen?«
    »Wie bitte?«
    »Weißt du etwas darüber, dass Halldór den Jungen in seiner Klasse in diesem Winter Pillen verabreicht hat, die so aussahen wie Lebertrankapseln, aber stattdessen etwas anderes enthielten, vielleicht sogar etwas sehr Gefährliches?« »Wie bitte? Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon du redest.«
    »Du hast nie bemerkt, dass sich damals in deiner Schule mehr Krankenschwestern als gewöhnlich aufhielten?«
    »Bei mir lief immer alles ordnungsgemäß. An der Schule beschäftigten wir eine Schulkrankenschwester, einen Schularzt und einen Schulzahnarzt. Sie besuchten die Schule in regelmäßigen Abständen und untersuchten die Kinder. Ich bin der Meinung, dass die ärztliche Betreuung sehr gut war. Die Kinder haben alle Impfungen bekommen, die nötig waren, und alle Gesundheitskontrollen wurden vorschriftsmäßig durchgeführt, falls deine Frage darauf abzielt.«
    »Wer war für die Verteilung der Lebertranpillen zuständig?«
    »Wenn ich mich recht erinnere, kam der Lieferwagen direkt vom Hersteller mit den entsprechenden Liefermengen, nun ja, vielleicht alle zwei Monate. Die Gläser wurden in einem Schrank im Lehrerzimmer aufbewahrt, und die Lehrer hatten je nach Bedarf Zugang dazu. Ich meine, dass die Kinder eine Kapsel pro Tag bekamen, und die Bestände mussten regelmäßig aufgefüllt werden. Die meisten Kinder waren ganz versessen darauf, nachdem sie vorher oft Probleme mit dem flüssigen Lebertran gehabt hatten. Daran haben sich die Kinder manchmal sogar regelrecht erbrochen, denn das Zeug kann einen schon zum Würgen bringen. Diese Pillen aber hatten einen zuckrigen Überzug und schmeckten deshalb gut. Was hast du da von Blutentnahmen gesagt?«
    »Ein Zeuge hat ausgesagt, dass Halldór maßgeblich daran beteiligt war, Versuche an den Kindern durchzuführen, die die Verabreichung von Drogen und Blutuntersuchungen einschlossen.«
    »Versuche? An meiner Schule? Halldór? Nein, das ist völlig absurd! Ganz offensichtlich habt ihr Halldór nicht gekannt, der hätte so etwas nie fertig gebracht! Der Mann war eine komplette Null, völlig willensschwach, und er war eigenbrötlerisch, ja, eigentlich richtig verschroben.«
    »Aber auf einmal hat er die Klasse zu solchen Leistungen gebracht.«
    »Ja, aber das war ein einmaliges und isoliertes Phänomen. Ein Zufall. Er war in jeder Hinsicht ein mittelmäßiger Lehrer, er hatte keinerlei Profil und wäre nie imstande gewesen, so etwas zu bewirken.«
    »Könnte der Stoff, den die Schüler von ihm bekommen haben, nicht der Grund für die Leistungssteigerungen in der Klasse sein? Du scheinst ja auch keine andere Erklärung zu haben.«
    »Das stimmt, aber es hört sich wie Science-Fiction an. Den Kindern wird irgendein Wundermittel eingetrichtert, und sofort sind alle superintelligent! So was passiert vielleicht in Romanen, aber wir leben doch in der Realität, und die Realität in der Víðigerði-Schule war völlig normal und absolut unspektakulär. Bei uns wurde Wert auf Disziplin, Ordnung und Ruhe gelegt. Die Schüler mussten sich in Reihen aufstellen, und es wurde genauso viel Wert auf anständiges Betragen wie auf das Lernen gelegt. Jedes Jahr wurde bei uns das gleiche Weihnachtsstück aufgeführt. Der Bürgermeister kam und schaute es sich an. Wir waren eine vorbildliche Schule.«
    Er hielt kurz inne.
    »Seid ihr in letzter Zeit mal in einer Grundschule gewesen? Habt ihr mal gehört, was für einen Krach die Kinder heutzutage machen, und habt ihr gesehen, welches Chaos auf den Korridoren und sogar in den Unterrichtsräumen herrscht? Mir ist völlig schleierhaft, wie man unter diesen Bedingungen überhaupt unterrichten kann.«
    »Bei euch war es seinerzeit auch einfacher. Ihr konntet die Problemkinder einfach in spezielle Versagerklassen abschieben«, sagte Erlendur.
    »Ich bin davon überzeugt, dass im Schulsystem alles den Bach hinuntergegangen ist, nachdem diese Sonderklassen abgeschafft wurden. Da witterten die verdammten Sozialhelfer und Schulpsychologen ihre Chance und nisteten sich im Schulsystem ein. Die Sonderklassen erfüllten ihren Zweck bestens, und sie müssten meiner Meinung nach dringend wieder eingerichtet werden. Schülern mit eher begrenzten Fähigkeiten und unzumutbarem Betragen sollte es nicht gestattet sein, den durchschnittlich und überdurchschnittlich Begabten im Weg zu stehen.

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