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Menschensoehne

Menschensoehne

Titel: Menschensoehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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großen Pause eigenhändig verteilt, bevor ich mich ans Pult setzte und euch Abenteuergeschichten vorlas. Die Mädchen bekamen aus dem einen Glas und die Jungen aus dem anderen. Laut den Anweisungen musste ich aufpassen, dass ihr sie auch schlucktet. Aber das war ganz einfach. Auf diese neuen Pillen wart ihr nämlich richtig versessen. Im Lauf des Winters habt ihr dann richtiggehend um diese Pillen gebettelt und wolltet immer mehr als eine. Ich hatte wirklich Probleme beim Verteilen. Manchmal kam es mir so vor, als hättet ihr was aus dem Glas stibitzt, wenn ich mal für kurze Zeit aus der Klasse musste. Deswegen endete es damit, dass ich das Glas immer mitnahm, wenn ich das Klassenzimmer verlassen musste. Ich hatte genauestens Buch darüber zu führen, ob und wann ich irgendwelche Veränderungen in eurem Verhalten feststellte. Es war mir aber nicht wohl bei dem, was ich da tat, Daníel, das musst du mir glauben. Ich konnte aber nicht anders, als ganz und gar nach ihrer Pfeife zu tanzen, denn sonst wäre alles über mich herausgekommen, und das hätte ich nicht verkraftet. Ich war davon überzeugt, dass es ein harmloses, aber überaus wichtiges Experiment war. Euch sollte nichts geschehen. Ich habe nie nachgefragt, was diese Kapseln eigentlich enthielten. Letzten Endes wollte ich gar nichts über diese Sache wissen, überhaupt nichts. Und wie immer habe ich so getan, als sei nichts vorgefallen. Ich habe mir eingeredet, dass ich ganz gewöhnliche Lebertranpillen verteilte. Mein ganzes Leben lang war ich nicht dazu fähig gewesen, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, und es machte für mich keinen Unterschied, dass da nun noch eine weitere kleine Lüge hinzugekommen war.
    Schweigen .
    HALLDÓR: Etwa zwei Monate nachdem ich angefangen hatte, diese Pillen an euch zu verteilen, stellte ich bemerkenswerte Veränderungen in euren Leistungen und in eurem Benehmen fest. Das schrieb ich in meinen Bericht, der vielleicht sogar noch irgendwo existiert. Es fiel euch auf einmal viel leichter, zu lernen, und ihr wart auch wesentlich interessierter an allem; ihr wart viel aufgeweckter, habt die Aufgaben mit einem Mal schnell und hundertprozentig korrekt gelöst. Die Ergebnisse waren wesentlich besser, als ich es mir jemals hätte erhoffen können. Verglichen mit vorher, schient ihr überhaupt keine Lernprobleme mehr zu haben. Sogar solche Schlusslichter wie Agnar und Óskar schafften es, innerhalb einer Schulstunde Gedichte wie Öxar við ána von Steingrínur Thorsteinsson auswendig zu lernen, bereits nach einmaligem Lesen. Von früher oder von zu Hause kannten sie das Gedicht ganz bestimmt nicht. Dasselbe galt auch für die anderen Jungen. Eure Leistungsfähigkeit hatte sich in dieser kurzen Zeit enorm gesteigert, und ihr wart jetzt auf einmal lernbegierige Schüler. Ihr konntet alles behalten. Aber das Betragen und der Umgang in der Schule verschlimmerten sich immer mehr. Ich musste euch dauernd zum Rektor schicken, obwohl ich versuchte, so wenig wie möglich zu diesem Mittel zu greifen. Die Unterrichtsplanung geriet ziemlich durcheinander, aber im Lauf des Winters fand ich heraus, wie ich euch dazu bringen konnte, mir zu gehorchen. Ich brauchte euch nur eine zusätzliche Lebertranpille versprechen. Das entsprach zwar nicht den Anweisungen, aber ich wusste mir keinen anderen Rat. Daníel, für mich wurden diese Pillen zu einem Mittel, euch in Schach zu halten. Es war so einfach damit. Niemand begriff das Wunder, das mit der 6 L geschehen war, niemand außer mir. Ich hatte einen vollen Karton mit den Gläsern zu Hause stehen, und sie würden den Winter über reichen und sogar noch länger, danach sollte das Experiment beendet sein.
    DANÍEL: In dem Winter fühlten wir uns nicht gut. Skari bekam Krämpfe, und wir lachten ihn aus, und Aggi reiherte auf einmal quer über sein Pult und die Schulbücher, und Gísli rastete völlig aus, weil die Kotze auf seinem Rücken landete.
    HALLDÓR: Ich kann mich erinnern, dass Aggis Hand eiskalt war, als ich ihn anfasste. Da habe ich es wirklich mit der Angst zu tun bekommen.
    DANÍEL: Wir sind sogar bei dir eingebrochen, weil wir so hinter diesen Pillen her waren. Aggi und ich, die anderen haben draußen Wache geschoben. Ich kann mich bis ins kleinste Detail an alles erinnern, was du gesagt und getan hast.
    HALLDÓR: Ich habe es auch nicht vergessen.
    DANÍEL: Als die Schule im Mai zu Ende war, wussten wir nicht, wie wir weiterhin an die Lebertranpillen herankommen konnten, deswegen sind wir zu

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