Menschensoehne
weil sie wahrscheinlich nicht viel davon zu Hause bekommen haben. Sie waren ziemlich ärmlich gekleidet.«
»Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass du an etwas beteiligt warst, was diesen Jungen schaden könnte?«, fragte Erlendur.
»Nein. Also zumindest nicht am Anfang. Ich habe Rannveig vollkommen vertraut. Sie war ein durch und durch guter Mensch und meine beste Freundin. Ich hatte überhaupt keinen Verdacht, dass da irgendetwas nicht stimmen könnte. Natürlich war es naiv von mir, so zu denken. Aber so war es. Wahrscheinlich hat Rannveig mir damals nur dieselben Lügen erzählt, die Sævar Kreutz ihr aufgetischt hatte, nämlich dass es sich um ganz simple Blutgruppenuntersuchungen handelte, die er aber nicht auf offiziellem Wege durchführen wollte, also mit der Zustimmung von Schule, Eltern und Behörden. Es musste laut Rannveig so unkompliziert und unbürokratisch wie möglich vonstatten gehen, und eigentlich habe ich nicht weiter darüber nachgedacht.« »Was hast du mit den Blutproben gemacht?«
»Rannveig hat sie immer genommen. Das ging aber nur ein Schuljahr lang, danach war alles wie früher. Ich habe zwar immer an diese Jungen denken müssen, aber ich habe gemerkt, dass Rannveig nicht darüber reden wollte. Und tatsächlich haben wir erst ganz zuletzt, als es mit ihr zu Ende ging, darüber gesprochen.«
»Weißt du, was Sævar Kreutz mit diesen Blutproben gemacht hat?«
»Rannveig sagte, dass er an einem Forschungsprojekt arbeitete, das geheim bleiben musste, aber es sei etwas völlig Harmloses. Rannveig hat auch nicht mehr gewusst als ich, glaube ich. Wir haben uns wahrscheinlich beide nicht ganz wohl dabei gefühlt. Und dann sahen wir im Sommer darauf die Fotos in den Zeitungen.«
»Was für Fotos?«
»Wir kannten sie. Sie sagten uns immer ihre Namen, damit wir die Reagenzgläser beschriften konnten, und ich kann mich noch heute an alle Namen erinnern. Zwei von ihnen starben im darauf folgenden Sommer, und es kamen Nachrufe in den Zeitungen. Agnar bekam ganz unerwartet einen Herzanfall, und Gísli starb bei einem Arbeitsunfall auf dem Land. Ich fand, dass es ein äußerst merkwürdiger Zufall war, weil es genau nach diesem Winter passierte, trotzdem habe ich mir nicht wirklich Gedanken gemacht. Aber in den folgenden Jahren tauchten immer wieder die Namen dieser Jungen und Fotos von ihnen in den Zeitungen auf. Jetzt zuletzt Daníel, der die ganze Zeit in der Psychiatrie war und zum Schluss Selbstmord verübt hat. Vielleicht haben alle diese Todesfälle sogar ganz normale Erklärungen, an die Hoffnung habe ich mich immer geklammert, aber trotzdem hat mich der Gedanke verfolgt, dass ich vielleicht an etwas beteiligt war, was ihr Unglück heraufbeschworen hat.«
»Du bist aber nicht früher mit diesen Informationen an die Öffentlichkeit getreten?«
»Ich habe häufig mit dem Gedanken gespielt und war einige Male kurz davor, mich auf den Weg zu machen, aber genauso oft ließ ich es auch wieder bleiben. Wie ich schon sagte, es konnte ja auch ganz natürliche Erklärungen geben. Und Sævar Kreutz ist ein Mann, dem man nicht etwas unterstellt, worüber man im Grunde genommen gar nichts weiß. Das wirst du vermutlich bald selber herausfinden. Mehr habe ich dir nicht zu sagen, und deswegen gehe ich jetzt. Falls du mich noch einmal brauchst, darfst du dich gern mit mir in Verbindung setzen.«
»Moment, Moment«, sagte Erlendur. »In Bezug auf diese Ermittlung bestimme ich, wie es weiterzugehen hat, und nicht du. Und ich bin der Meinung, dass du uns noch ein wenig mehr zu sagen hast.«
»Uns was sollte das sein?«, fragte Guðrún.
»Das weißt du natürlich besser als ich.«
»Wie bitte? Worüber redest du eigentlich?«
»In was für einer Art von Beziehung standest du zu Sævar Kreuz?«
»Beziehung? Davon kann keine Rede sein.«
»Eine vernünftige Frau wie du schleicht sich mit Nadeln und Spritzen einige Male in eine Schule in Reykjavík hinein und achtet darauf, dass sie von niemandem gesehen wird. Zapft den Jungen Blut ab, schenkt ihnen Schokolade und weiß die ganze Zeit, dass sie etwas macht, wovon niemand was wissen darf. Du kriegst ein paar fadenscheinige Erklärungen von deiner Freundin, alles paletti. Das Blut wird abgeliefert, und alles ist so, als sei nichts geschehen. Ich vermute, dass da noch etwas ganz anderes dahinter steckt. Ich glaube, du hast Sævar Kreutz gekannt.«
»Das ist absurd«, sagte Guðrún, klang aber nicht sehr überzeugend.
»Hast du ihn persönlich
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