Menschenteufel
Tropfen auf den
dicken Stoff. Mit kräftigen Windböen nahm das Gewitter Schwung auf.
»Dieser Köstner wird auf jeden Fall immer interessanter«, erklärte
Petzold, als sie wieder saßen. »Wir müssen unbedingt noch einmal hin.«
»Aber wenn er nicht da ist …«
»Wir müssen doch was unternehmen! In meinem Fall läuft alles immer
wieder auf diesen Mann hinaus. In Ihrem kommt er auch vor, und zwar auf einmal
wesentlich prominenter als bisher. Hey, er ist seit derselben Zeit angeblich
auf Urlaub, als die Opfer verschwanden!«
»Wissen Sie zufällig mehr über seinen Beruf und vor allem seine
Ausbildung?«
»Ob er medizinische Kenntnisse hat, meinen Sie? Keine Ahnung.«
»Aber als Täter kommt er ohnehin kaum in Frage. Er ist zu alt, um
Ziegenböcke oder Emus über Zäune zu hieven.«
»Er ist groß und war sicher einmal stark.«
Die Tropfen fielen jetzt dichter und sprühten in einem feinen Nebel
durch die Markise auf Freunds Gesicht. »Ich werde morgen mit den Kollegen
darüber sprechen. Vielleicht besorgen wir uns eine Besuchserlaubnis für sein
Haus, wenn es die Untersuchungsrichterin für geboten hält.«
Petzold verzog den Mund. »Aufgrund unserer sehr weit hergeholten
Vermutungen, wie Sie das nannten? Außerdem, morgen. Morgen kann es zu spät
sein!«
»Zu spät wofür?«
»Wenn er womöglich wirklich mit dem Fall zu tun hat, sei es als
Täter, Opfer, Zeuge, sonst was …« Sie sprang auf. »So lange warte ich nicht«,
erklärte sie entschieden.
»Und, was wollen Sie tun? Wagner und Obratschnik reden nicht mit
Ihnen, und auf mich sind die beiden gerade auch nicht gut zu sprechen.
Durchsuchungsbefehl von der Richterin bekommen Sie heute so oder so keinen
mehr.«
»Irgendetwas stimmt mit diesem Köstner nicht. Was das ist, können
wir nur bei ihm herausfinden.« Wir? »Ich fahre hin und sehe mich um.«
»Hallo? Wir sind hier nicht im Fernsehen. Sie können nicht einfach
in fremde Häuser einbrechen. Es gibt so etwas wie Gesetze, besonders für uns
Polizisten, und nach denen gehen wir vor.«
»Dann machen Sie das, ich gehe inzwischen schon einmal woandershin
vor.«
Freund packte sie am Arm. Seufzend zog er sein Handy aus der
Hosentasche.
»Ich habe es Ihnen gleich gesagt«, erklärte Freund und steckte
sein Mobiltelefon wieder ein. Der kurze Regenguss war weitergezogen und hatte
den Geruch von nasser Erde zurückgelassen. In flüchtigen Schwaden stieg Dampf
aus der Wiese.
» Ich habe es Ihnen gleich gesagt«,
erwiderte sie. »Wir müssen selber handeln. Ich fahre da jetzt hin.«
»Es ist halb elf Uhr abends.«
»Na und? Sieht mich wenigstens keiner.«
»Was wurde aus der Terrorspur, von der Sie erzählten?«
»Die Kollegen vom BVT sind nicht
weitergekommen. Für Köstner interessieren sie sich nicht. Was ist, kommen Sie
jetzt? Ich kann ja schlecht alleine gehen.«
Freund lachte sie ungläubig an. »Das werden Sie tun müssen! Aber Sie
werden nichts Derartiges unternehmen. Das verbiete ich Ihnen als Ranghöherer
jetzt ganz einfach.«
Maliziös lächelte sie zurück. »Das können Sie gar nicht. Wir sind in
vollkommen getrennten Abteilungen. Und selbst wenn, das haben in diesem Fall
auch schon andere versucht.«
»Was soll das heißen?«
Sie lachte. »Die Typen vom BVT halten
sich für wahnsinnig wichtig. Weil ich mehr als sie herausgefunden habe, sind
sie sauer und wollen mich draußen haben. Ich soll mich nicht mehr in ihren Fall
einmischen.«
Erstaunt hatte Freund den Ausbruch verfolgt. »Alles in Ordnung mit
Ihnen? Man hat Sie von dem Fall abgezogen, und jetzt kommen Sie zu mir, um
weiterzumachen und in ein fremdes Haus einzubrechen?«
»Zu Krischintzky, Bohutsch oder Pribil kann ich ja schlecht gehen.«
»Doktor Pribil ist Ihr Vorgesetzter, nicht? Er hat Sie von dem Fall
abgezogen.«
»Eingeknickt ist er vor den Leuten aus dem BVT .«
»Sie sollten etwas vorsichtiger in Ihrer Wortwahl sein, wenn Sie
über Ihren Chef sprechen.«
Durch das Fenster beobachtete er, wie Claudia ins Bad ging. Er
sollte Petzold loswerden und seiner Frau folgen. Der Tag war lang gewesen und
nicht lustig.
»Ich fahre jetzt zu Köstner und sehe nach, was da los ist«, erklärte
Petzold.
»Herrschaftszeiten!«, brüllte Freund. Sofort senkte er seine Stimme,
um die Kinder und seinen Vater nicht zu wecken. »Sie werden das nicht tun«,
zischte er. »Mir reicht das jetzt. Sie sind doch keine Anfängerin mehr!«
»Ich habe vielleicht nicht so viel Erfahrung wie Sie. Aber mein
Gefühl sagt mir, dass da
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