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Menschenteufel

Menschenteufel

Titel: Menschenteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Raffelsberger
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die Gesellschaft ausgelassener junger und weniger junger
Leute in Chill- oder Partylaune suchte.
    Schon wollte sie den freien Liegestuhl neben ihr erneut gegen fremde
Begehrlichkeiten verteidigen, als sie Thorney Shackleton erkannte, der mit zwei
vollen Gläsern von der Bar zurückgekehrt war. Er reichte Petzold eines davon
und ließ sich mit einem wohligen Seufzer in seinen Stuhl sinken. Die Krawatte
hatte er schon auf dem Weg zusammengewickelt in eine Tasche des Jacketts gesteckt,
das jetzt oberhalb seines Kopfs an der Lehne hing. Aus den hochgekrempelten
Ärmeln seines weißen Hemdes wuchsen sehnige Arme, die in kräftigen und doch
eleganten Händen endeten.
    »Cheers.«
    »Prost.«
    Caipirinha.
    Eine Weile sahen sie dem Wasser beim Fließen zu und lauschten dem
anschwellenden Treiben hinter ihnen. Längst waren alle Sitzgelegenheiten
vergeben, und die Menschen ließen sich im Sand nieder. Die ersten Windlichter
wurden angezündet.
    »Überall auf der Welt ist es das Gleiche«, sagte Shackleton
schließlich. »Die Alten verteidigen ihr Revier mit allen Mitteln.« Er lächelte
ihr zu. »Dabei haben Sie die beste Arbeit von allen abgeliefert.«
    »Ich soll den Fall nicht weiterverfolgen, hat Bohutsch befohlen.«
    Shackleton schwieg einen Moment, bevor er antwortete: »Warum sind
wir dann hier?«
    Jetzt erwiderte sie sein Lächeln. »Weil ich mich nicht daran halten
werde.« Sie nahm einen tiefen Schluck. »Und weil ich den nicht alleine trinken
wollte.«
    Sie ließen die Gläser aneinanderstoßen und tranken.
    »Was hat sie nach Wien verschlagen?«
    »Der Dienst. Ich habe mich nicht beworben. Aber es gefällt mir
ausgezeichnet. Während meiner Collegezeit Anfang der neunziger Jahre war ich
auf einer Europareise schon einmal für drei Tage hier. Seither hat sich
unheimlich viel verändert.«
    Gegenüber war die Schattenkante mittlerweile über den zweiten Stock
der Fassaden geklettert.
    »Ich freue mich, dass Sie der Sache Short weiterhin nachgehen
wollen. Ich möchte Sie aber nicht in Schwierigkeiten bringen.«
    Ein wenig enttäuscht kehrte Petzold zu den Arbeitsthemen zurück.
»Das kann ich ganz gut selber, wie Sie gesehen haben.«
    Aus seinem Jackett angelte Shackleton ein zusammengefaltetes Blatt
Papier.
    »Das wollte ich Ihnen zeigen.«
    Petzold schlug den Bogen auseinander. Zwei Gesichter in Schwarz-Weiß
blickten ihr entgegen: links Alvin Tomlins, aus Colin Shorts Suchfoto; auf der
rechten Seite noch einmal, mit Fünftagebart und Afrofrisur.
    »Zweimal Tomlins. Woher haben Sie das?«
    »Schauen Sie noch einmal genau hin.«
    Wieder musste Petzold feststellen, wie viel schwerer sie Individuen
anderer Ethnien unterscheiden konnte. Sie suchte nach Details im
Bildhintergrund.
    Nein, der Corporal konnte das nicht sein. Blumenbemalte VW -Busse hatte es zu seiner Zeit noch nicht gegeben.
Höchstwahrscheinlich hatte der Soldat auch sein Haar nie so lang getragen. Und
dann erkannte sie ihn.
    »Alvin Tomlins und Colin Short«, flüsterte sie.
    »Gut erkannt, trotz Bart sogar. Ich weiß nicht, ob ich das bei
Weißen so schnell könnte. Das rechte Bild zeigt Colin Short, damals Muhamad
al-Musharaf, bei einer Demonstration Ende der sechziger Jahre.«
    »Sie schauen sich so ähnlich.«
    »Finde ich auch. Und ich sehe sie mit anderen Augen.«
    »Meinen Sie …? Short wirkt etwas blasser …«
    »Wüsste ich es aus Shorts Dokumenten nicht besser, würde ich jedem
glauben, der behauptet, die beiden seien Vater und Sohn.«
    »Sind sie aber nicht. Tomlins starb im März 1948 in Wien, Short kam
im November desselben Jahres in den USA zur Welt.
Wie soll das funktionieren? Ein kleiner Seitensprung von Shorts Mutter kurz
davor bei einem Heimaturlaub Tomlins’?«
    »Wenn er einen solchen im Februar 48 hatte?«
    »Können Sie so etwas herausfinden?«
    »Ich werde mir alles über Corporate Alvin Tomlins schicken lassen,
was die Army herausrückt. Oder wer immer die Informationen heute besitzt.«

Den Buckel runter
    »Sie schienen ganz in Ordnung«, hatte Freund seiner Frau
erklärt.
    »Wann fangen sie an?«
    »Ich weiß noch nicht, ob ich wirklich jemanden …«
    Ihre Miene hatte ihn verstummen lassen.
    Freund hatte seiner Frau vom neuen Leiter der Sonderkommission
erzählt.
    Das tue ihr leid für ihn, hatte sie gesagt. Halb so schlimm.
    Es war doppelt so schlimm. So viel war ihm am Nachmittag bewusst
geworden. Bis jetzt hatte er das Geschehene verdrängt. Die Pflegefrage hatte
ihn abgelenkt. Um sich von ihr zu lösen, hatte er

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