Menschenteufel
figurbetonten Hosen, der Pferdeschwanz, das musste sie sein.
Schritt für Schritt inspizierte sie die Gartenmauerkrone. Erst als er fast
neben ihr stand, beachtete sie ihn.
»Da sind Glasscherben und Stacheldraht drauf«, sagte sie nur.
»Umso besser«, antwortete er.
»Ich habe eine Decke im Auto.«
»Danke, mir ist nicht kalt.«
»Die werfen wir über den Stacheldraht. Dann kommen wir ganz einfach
drüber. Ich brauche nur jemanden, der mir hochhilft.«
»Und drinnen breiten wir sie auf der Wiese aus für ein Picknick.«
»Nachher vielleicht.«
»Rechnen Sie nicht mit mir.«
»Ich schaffe es auch alleine.«
Sie ging an ihm vorbei und ließ ihn stehen. Seine Handschellen hätte
er mitnehmen sollen. Damit würde er sie an ihr Lenkrad fesseln und nach Hause
fahren. Doch er musste sich eingestehen, dass er Petzolds vage Ahnung teilte.
Sauer war er eigentlich nur mehr, weil der Pepe ihm die Leitung der Soko
entzogen hatte.
An einem verbeulten kleinen Peugeot hielt sie und öffnete den
Kofferraum. Aus dem Chaos befreite sie nach einigem Wühlen ein kariertes Plaid,
an dem Grashalme und Stroh hingen.
»Warum so abenteuerlich. Haben Sie schon geklingelt?«
»Selbstverständlich.«
»Und das Gartentor versucht?«
»Ist zu.«
Freund ging die paar Schritte zu dem eindrucksvollen
Schmiedeeisenwerk. Als er dagegendrückte, federte es nach, öffnete sich aber
nicht.
»Lassen Sie das«, zischte Petzold, die neben ihm aufgetaucht war,
die Decke über dem Arm. »Sonst geht die Alarmanlage los.«
»Vielleicht will ich das ja.«
Er drückte noch einmal, fester. Mit etwas Glück nahm ihm die
Alarmanlage seine Entscheidung ab.
»So. Sehen Sie?«, blaffte er.
Und noch einmal, mit doppelter Wucht. Petzold wollte ihm in den Arm
fallen. Stattdessen fing sie ihn auf, bevor er in den Garten stolperte. Mit
einem hässlichen Knacken war das Tor aufgesprungen und gab einen
handspannenbreiten Spalt frei.
Verdutzt blickten sie auf die Öffnung und warteten auf das Heulen
der Sirenen und Blinken der Alarmlichter. Fünf Minuten später wären die
uniformierten Kollegen hier, und vielleicht knallte ein besorgter Nachbar sogar
mit seiner Jagdflinte um sich. Alles schon erlebt.
Leise quietschend wackelte der Torflügel hin und her. Grillen
lärmten mit Fröschen um die Wette, vereinzelte Nachtvögel kommentierten das
Spektakel, irgendwo sah jemand bei offenem Fenster fern, ein paar Straßen
weiter fuhr ein Auto vorbei.
Kein Aufjaulen, kein Lichtgewitter.
Entweder besaß Gerwald Köstner keine Alarmanlage, was eine Ausnahme
in dieser Gegend darstellen würde, oder sie war deaktiviert.
»Danke«, sagte Petzold, schob ihn zur Seite und war drin, bevor er
sie zurückhalten konnte. Ihre Decke warf sie neben dem Eingang hinter die
Mauer, sodass man sie von der Straße nicht sehen konnte. Als die Beleuchtung
der Auffahrt ansprang, erstarrte sie. Hektisch sah sie sich um. Mit zwei
Schritten war sie an den begrenzenden Rosenhecken, sprang darüber hinweg auf
den Rasen und versteckte sich im Dunkeln hinter einem Baumstamm. Gleich darauf
sah Freund sie zwischen den Büschen auf der Wiese Richtung Haus weiterhuschen.
Am Kopf des Torpfeilers entdeckte Freund eine Überwachungskamera,
die das Haus beobachtete. Köstner hatte also eine Alarmanlage installiert. Doch
obwohl er nicht da war, sprang sie nicht an.
Ein Blick den Gehsteig hinunter, einen hinauf. Kein Mensch auf der
Straße hier um diese Zeit. Mit einem geflüsterten Fluch drückte er sich durch
das Gitter.
Vor Lia Petzold lag das Haus in der Dunkelheit. Seine dunkle
Silhouette verschmolz mit den Schatten der Baumkronen. Sie spürte das kurz
geschnittene Gras unter ihren Handflächen. Zwei Minuten nachdem sie dem Licht
der Auffahrt auf die Wiese ausgewichen war, erlosch die Beleuchtung wieder. Bis
dahin hatte sie das Gebäude und sein Umfeld beobachtet. In seinem Zentrum
führte eine breite Treppe zum prunkvollen Eingang mit Säulen. Auf einer
Kiesfläche links vom Haus erkannte Petzold einen Jaguar und einen älteren
Kombi. Vielleicht vom Gärtner, dachte sie. Andererseits, jetzt in der Nacht,
wenn Köstner auf Urlaub war?
Die Deckung der Büsche war überflüssig geworden. Aufrecht, mit den
Füßen Schritt für Schritt den weichen Rasen abtastend, arbeitete sie sich vor.
In der sternenlosen Nacht musste sie sich erst wieder an die Finsternis gewöhnen.
Der Griff nach ihrem Arm kam überraschend. Ihre herumwirbelnde Faust
fing der Angreifer mühelos ab und setzte den Schwung
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